So sieht es aus
Wettbewerbsnachteile in globalen Lieferketten beseitigen
Der Handel steht in globalen Lieferketten aufgrund geopolitischer Konflikte, einer schwächelnden Wirtschaft und den Folgen des Klimawandels vor großen Herausforderungen. Dabei ist die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten in Lieferketten weltweit für deutsche Handelsunternehmen eine Selbstverständlichkeit.
Gleichzeitig verpflichtet die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) Handelsunternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten entlang ihrer globalen Lieferketten. Die europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) erhöht die Anforderungen europäischer Unternehmen in der Erhebung von Daten für umfassende Berichte.
Aktuell erschweren jedoch sich überschneidende und teilweise widersprüchliche Berichtsanforderungen und Datenabfragen aus dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) und der europäischen Lieferkettenrichtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) eine im Sinne der Ökologie und Ökonomie vernünftige Umsetzung dieser Sorgfalts- und Berichtspflichten.
Die Herausforderung
Unsicherheiten in Haftungsfragen und dem Anwendungsbereich
Der ohnehin enorme Erfüllungsaufwand für Unternehmen in den stetig wachsenden Sorgfalts- und Berichtspflichten wird durch zu spät veröffentlichte Handreichungen sowie durch politische Neujustierungen in der Auslegung und Umsetzung der Gesetze zusätzlich vergrößert. Vermeintlich „bürokratiearme Lösungen“ schmelzen mit Blick auf die Vielzahl der zu implementierende Gesetze dahin. Zahlreiche Datenpunkte binden personelle und finanzielle Ressourcen in Unternehmen, ohne gesichert einen wirksamen Effekt für mehr Nachhaltigkeit zu entfachen.
Zeit zum Handeln
Mehr Resilienz durch vernünftige und faire Rechtsgrundlagen
Die fehlende Kohärenz in den europäischen Richtlinien und aktuell geltenden deutschen Gesetzen überfordern Unternehmen in einer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Phase. Wegen der schwelenden Rechtsunsicherheit droht zudem ein Rückzug europäischer Unternehmen aus Wertschöpfungsketten, die von außereuropäischen Konkurrenten mit geringeren Standards ausgefüllt werden können.
Mit teilweise mehr als 30.000 direkten Lieferanten haben die Lieferketten vieler Einzelhandelsunternehmen ein enormes Maß an Komplexität erreicht. Schon jetzt sind die Kapazitäten in den Unternehmen knapp, die für die Erfüllung der umfangreichen Prozessänderungen benötigt werden. Handelsunternehmen können nicht die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Lieferketten durchsetzen.
Wir begrüßen, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie CSDDD 1:1 und so bürokratiearm wie möglich umgesetzt und die Pflichten zum spätesten Zeitpunkt verbindlich werden sollen. Die angekündigte Ersetzungsbefugnis bei den Berichtspflichten und die Schaffung von Freiräumen in der Übergangszeit können zu Entlastungen führen. Entscheidend ist, dass im deutschen Umsetzungsgesetz tatsächlich ein „level playing field“ festgeschrieben wird und nur jene Unternehmen in den Anwendungsbereich fallen, die auch in den anderen europäischen Mitgliedsstaaten betroffen sind. Die angedachte Angleichung des LkSG-Anwendungsbereichs auf die CSDDD wäre hierfür ein notwendiger Schritt.
In Aussicht gestellte Unterstützungsangebote für eine bürokratiearme und ressourcenschonende Anwendung der Gesetze müssen jedoch früh- und rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, damit eine fristgerechte Implementierung gewährleistet ist. Der Handel braucht Zeit, um die neuen Anforderungen für ein nachhaltiges Management seiner Lieferketten rechtssicher umzusetzen und Kapazitäten für langfristige sowie nachhaltige Lieferkettenprojekte bereitzuhalten. Es ist sicherzustellen, dass durch klare Definitionen von unbestimmten Rechtsbegriffen sowie durch frühzeitige Veröffentlichung eindeutiger Leitlinien Rechtssicherheit geschaffen wird. Was Unternehmen jetzt brauchen sind nicht noch komplexere Berichts- und Sorgfaltspflichten, sondern verlässliche Rechtsgrundlagen, auf die sie sich langfristig verlassen können, um ihre Lieferketten resilienter aufzustellen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Jelena Nikolić
Leiterin CSR-/Nachhaltigkeitspolitik
E-Mail: nikolic@hde.de