So sieht es aus
Deutschland hat seine Führungsrolle in der EU nicht wahrgenommen
Die vergangenen Jahre haben viel politische Energie bei der internationalen Krisenbewältigung gebunden.
Dabei ist die strategische Gestaltung europäischer Politik vernachlässigt worden. Das hat zu einem überbordenden regulativen Tsunami aus Brüssel geführt, zu spät wurde versucht, die zahlreichen Rechtsakte in vernünftige und wirtschaftspolitisch sinnvolle Bahnen zu lenken. Der Binnenmarkt, Europas größte Errungenschaft, wurde sträflich vernachlässigt, Vertragsverletzungsverfahren aus politischen Erwägungen verschleppt und wichtige Entscheidungen zur Vollendung des Binnenmarktes hinausgezögert. Die Folge ist eine massive Verschlechterung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Weltregionen, insbesondere USA und China. Damit der Handel florieren kann, braucht es eine gesunde Wirtschaft, die auf Investitionen, Innovation und Technologie ausgerichtet ist.
Die Herausforderung
Deutschland muss wieder Gestalter europäischer Politik werden
Der Krisenmodus wird bleiben, umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung eine klare Agenda hat, was sie in Brüssel erreichen will. Mit einer „German Vote“, also der Enthaltung im Rat, ist keine Politikgestaltung möglich. Grundsätzlich sollte die Stärkung und Vollendung des Binnenmarktes im Vordergrund stehen, d.h. bestehende Regeln müssen überall in der EU konsequent durchgesetzt werden, die Kapitalmarktunion vorangetrieben und die Wettbewerbspolitik unter dem Vorzeichen Vertragsfreiheit angewendet werden. Unfairer Wettbewerb aus Drittstaaten gilt es einen Riegel vorzuschieben.
Zeit zum Handeln
Wettbewerbsfähigkeit für Wohlstand ins europäische Zentrum rücken
10 Maßnahmenpakete:
1. Eine radikale Reform des Regulierungsansatzes: Big in big things, small in small things“, Folgenabschätzungen neuer Regulierung um Wettbewerbsfähigkeitscheck und KMU-Test ergänzen.
2. Innovationspotential ausschöpfen: Forschung, Technologie und Investionen müssen strategisch verknüpft werden, damit die notwendige Exzellenz im globalen Wettbewerb erreicht wird.
3. Industriepolitik klug gestalten, so dass alle Wertschöpfungsketten profitieren, auch der Handel.
4. Kapitalmarktunion und Bankenunion vorantreiben, um Investitionen zu stimulieren.
5. Fachkräftemangel durch gezielte Arbeitsmarktpolitik und Fachkräftezuwanderung angehen.
6. Energieunion vorantreiben, durch die Schaffung eines dekarbonisierten europäischen Energiemarktes und wettbewerbsfähige Energiepreise für alle Sektoren.
7. Bilaterale Handelsabkommen forcieren: Mercosur müssen weitere Abkommen folgen, um globale Wertschöpfungs- und Lieferketten zu stärken.
8. Schaffung und Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen gegenüber Wirtschaftsakteuren aus Drittstaaten.
9. Nachhaltigkeitsagenda mit Wachstumsagenda verknüpfen, um eine technologiebasierte grüne Transformation zur Wirklichkeit zu machen.
10. Binnenmarkt wiederbeleben: Protektionistische Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten müssen von der Gemeinschaft konsequent geahndet werden. Dafür sollte eine unabhängige Einheit innerhalb der EU-Kommission eingerichtet werden (analog zu OLAF).
Antje Gerstein
Geschäftsführerin
E-Mail: gerstein@hde.de