So sieht es aus

Hoher Krankenstand belastet die Arbeitgeber stark

Diverse große Krankenkassen berichten derzeit über einen Rekordkrankenstand im Mitgliederbestand für das Jahr 2024, der die Arbeitgeber zusätzlich finanziell belastet. Die Höhe der Entgeltfortzahlung beträgt in Deutschland 100 Prozent des Arbeitsentgelts für die Dauer von sechs Wochen. 1996 hatte die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf 80 Prozent reduziert. Nach der Bundestagswahl 1998 wurde diese damals öffentlich äußerst umstrittene Regelung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von der SPD-geführten Bundesregierung von Gerhard Schröder umgehend rückgängig gemacht. Seit Dezember 2023 ist für gesetzlich Versicherte eine telefonische Krankschreibung bei leichten Erkrankungen für maximal 5 Arbeitstage möglich, zumindest sofern die Patientinnen und Patienten in der Arztpraxis bekannt sind. Darüber hinaus wird über die Einführung einer Teilzeit-Krankschreibung, bei der eine Krankschreibung auch nur für wenige Stunden am Tag möglich sein soll, debattiert. Ärztepräsident Reinhardt hatte dies medial angestoßen. Seit 1. Januar 2023 ist zudem das Meldeverfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) auch für Arbeitgeber verpflichtend. Arbeitgeber müssen die eAU ihrer Beschäftigten bei der jeweiligen Krankenkasse abfragen (sog. Pull-Verfahren). Beschäftigte sind aber weiterhin dazu verpflichtet, ihre Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden.

Die Herausforderung

Verantwortungsbewusstsein schärfen

Deutschland leistet sich aktuell eines der weltweit großzügigsten Systeme der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Selbst Schweden hat aktuell eine weniger großzügige Regelung. Der hohe Krankenstand kostet die Arbeitgeber in Deutschland aktuell sehr viel zusätzliches Geld, zudem leidet die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland unter diesen Zusatzkosten. Die Frage ist, ob Deutschland sich in wirtschaftlich schlechten Zeiten und vor dem Hintergrund der immer noch weiter ansteigenden Lohnnebenkosten eine solche Regelung leisten kann, ohne damit weiter Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Zeit zum Handeln

Telefonische Krankschreibung abschaffen, eAU entbürokratisieren

Die telefonische Krankschreibung muss wieder abgeschafft werden, sie erleichtert eine Krankmeldung für Beschäftigte in zu hohem Maße. Seit Einführung der unbefristeten telefonischen Krankschreibung Anfang 2024 sind die Krankschreibungen statistisch stark angestiegen. Auch wenn der Grund dafür weiterhin umstritten ist, wäre auszuprobieren, ob die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung wieder zu einem Rückgang der aktuell hohen Anzahl an Krankschreibungen führt. Hinzu kommt, dass ein Arztbesuch auch dazu dient, mögliche sonstige Erkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren.

Auch eine Teilzeitkrankschreibung ist aus Sicht des HDE strikt abzulehnen. Eine Teilzeitkrankschreibung würde die Hürde für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zusätzlich weiter reduzieren. Eine solche Signalwirkung ist aktuell nicht angemessen. Hinzu kommt, dass sich viele Tätigkeiten, wie beispielsweise im Einzelhandel, oft gar nicht im Homeoffice erledigen lassen. Folge wäre also auch ein erhöhtes Infektionsrisiko im Betrieb, was einen hohen Krankenstand zusätzlich fördern würde.

Im Rahmen der eAU müsste das „Pull-Verfahren“ bei den Krankenkassen in ein unbürokratisches „Push-Verfahren“ überführt werden. Die Krankenkassen müssten den Arbeitgebern das Vorliegen der eAU proaktiv mitteilen. Das würde den Umgang in der Praxis erleichtern und wäre schnell umzusetzen.

Einige Studien meinen einen Zusammenhang zwischen der Großzügigkeit der Lohnfortzahlung und der Zahl der Fehltage in einem Land erkannt zu haben, andere Studien ziehen dies jedoch in Zweifel, so dass keine belastbare statistische Evidenz für diese Annahme besteht. Die großzügige gesetzliche Regelung hierzulande zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wäre aber zumindest im Falle einer fortgesetzt schlechten wirtschaftlichen Entwicklung auf Angemessenheit zu überprüfen. Zu bedenken ist aber, dass heute in vielen Großbranchen tarifliche Regelungen bestehen, die eine 100 Prozent Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorsehen. Eine Gesetzesänderung würde daher zumindest im Bereich der Tarifbindung aber auch wegen der Inbezugnahme von Tarifverträgen in Arbeitsverträgen ohne Kostenerleichterung bleiben.

Steven Haarke
Geschäftsführer Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik
E-Mail: haarke@hde.de