So sieht es aus
Lohnsteuerklassen verhindern mehr Beschäftigung
Zurzeit wählen viele Paare, bei denen beide Partner arbeiten, die Kombination der Lohnsteuerklassen III und V. Denn diese Wahl ergibt in der Summe der Lohn- und Gehaltsabrechnungen beider Partner zusammen das insgesamt höchste Nettoeinkommen. Dies ist aber nur ein Liquiditätsvorteil. Bei der Wahl von Steuerklasse III und V ist eine Einkommensteuererklärung gesetzlich vorgeschrieben. Die daraus folgende Einkommensteuerveranlagung und das dabei zur Anwendung kommende Ehegattensplitting sorgt dafür, dass jede Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft mit gleich hohem Gesamteinkommen auch genau gleich hoch besteuert wird, unabhängig davon, wie viel die einzelnen Partner zum Gesamteinkommen beitragen und welche Steuerklasse sie wählen. Die Lohnsteuer ist damit nicht die finale Steuerlast, sondern eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld. Dabei muss aber der Zweitverdienende in Steuerklasse V zunächst eine überproportional hohe Lohnsteuer zahlen.
Nach aktuellen Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind im Einzelhandel rund 3,1 Millionen Menschen beschäftigt. Trotz dieser Rekordbeschäftigung mussten 2023 rund 120.000 zusätzliche offene Stellen unbesetzt blieben. Um diese Stellen besetzen zu können, bedarf es dringend besserer Arbeitsanreize für Zweitverdienende. Denn der Fachkräftemangel im Einzelhandel wird sich weiter verschärfen und die BA verzeichnet bereits seit 2017 in ihrer Ausbildungsmarktstatistik einen allgemeinen Bewerberrückgang.
Die Herausforderung
Der Zweitverdienende hat eine überproportional hohe Steuerlast
Bei der Kombination der Steuerklassen III und V hat der Zweitverdienende in Steuerklasse V eine überproportional hohe Steuerlast. Grund ist unter anderem, dass beide Grundfreibeträge und alle Kinderfreibeträge auf das (höhere) Einkommen in Steuerklasse III angerechnet werden. Als Folge entsteht für Zweitverdienende eine sehr hohe Grenz- und Durchschnittsbelastung. Zweitverdienende zahlen de facto bei den Lohnsteuerabzügen einen Teil der Steuer des Erstverdienenden. Dadurch liegt deren Steuerlast sogar über derjenigen, die sie bei einer Individualbesteuerung zu tragen hätten.
Zeit zum Handeln
Überführung der Steuerklassen III und V in IV mit Faktor
Den Steuerpflichtigen ist üblicherweise nicht bekannt, welche ehe- bzw. partnerschaftsinternen Ausgleichszahlungen erforderlich wären, um die überhöhten Lohnsteuerabzüge des Zweitverdienenden auszugleichen. Als Folge erzielt der Zweitverdienende ein sehr geringes Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit. Dies kann bei ihnen den Eindruck erwecken, Arbeit und insbesondere Mehrarbeit lohne sich nicht. Somit setzt das aktuelle Lohnsteuersystem mit den Steuerklassen III und V negative Arbeitsanreize für Zweitverdienende.
Mit der Überführung der Steuerklassen III und V in Steuerklasse IV mit Faktor für Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sollen die Lohnsteuerabzüge der (Ehe-)Partner auf ein Niveau gebracht werden, das ihrem jeweiligen Beitrag zum gesamten Einkommen der Ehepartner aus unselbständiger Arbeit entspricht. Da auch bei der Wahl von Steuerklasse IV mit Faktor eine Einkommensteuerveranlagung Pflicht sein soll und das Ehegattensplitting bleibt, führt der Wegfall der Steuerklassen III und V daher ausdrücklich nicht zu einer Steuererhöhung. Das Ehegattensplitting führt zudem auch weiter zur geringstmöglichen Gesamtbelastung des Paares.
Damit wäre eine deutliche Senkung der Lohnsteuer der Zweitverdienenden verbunden. Dies würde deren Arbeitsanreize spürbar erhöhen. Im Einzelhandel könnten so freie Stellen besetzt werden.
Ralph Brügelmann
Abteilungsleiter Steuern & Finanzen
E-Mail: bruegelmann@hde.de