So sieht es aus
Handelsunternehmen bleiben auf den Kosten sitzen
Nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts bedarf es eines hinreichenden Sachgrundes für die Einschränkung des verfassungsmäßig verankerten Sonn- und Feiertagsschutzes. Umsatzinteressen der Händler und auch Erwerbsinteressen der Kunden seien nach Auffassung des Gerichts kein solcher Grund. Sonntagsöffnungen im stationären Einzelhandel sollen jeweils als Ausnahme erkennbar bleiben (Regel Ausnahme-Prinzip). Die Ladenöffnungsgesetze vieler Bundesländer verlangen für eine Sonntagsöffnung in den Städten einen besonderen Anlass, wie etwa ein Volksfest. Die formalen Hürden sind aber hoch. Oft werden genehmigte Sonntagsöffnungen durch Gerichte dann doch noch gekippt.
Digitale Minimärkte hingegen kommen an den Sonntagen inzwischen ganz ohne Personal aus und stören damit die Sonn- und Feiertagsruhe nicht unverhältnismäßig. Die digitalen Kleinstmärkte können insbesondere in den ländlichen Gegenden die Nahversorgung sichern und zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beitragen. Aufgrund des verringerten Warenumsatzes ist bei digitalen Minimärkten die Öffnung an allen Sonntagen im Jahr entscheidend, damit sich diese Konzepte wirtschaftlich tragen. Wegen des zunehmenden Personalmangels werden digitale Vertriebswege weiter an Bedeutung gewinnen. In diversen Ladenöffnungsgesetzen der Länder wurde inzwischen eine klarstellende Regelung verabschiedet, um diesen neuartigen Vertriebskonzepten einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen zu geben.
Die Herausforderung
Vitale Innenstädte für die Zukunft sichern
Die multiplen globalen Großkonflikte haben die Menschen verunsichert und drücken auf die Kauflaune. Darunter haben vor allem auch die Innenstädte zu leiden. Viele Händler kämpfen dort auch nach Corona weiter um ihre nackte wirtschaftliche Existenz. Mit gelegentlichen verlässlichen Sonntagsöffnungen könnten diese Händler in dieser schwierigen Lage versuchen, fehlende Umsätze zumindest teilweise zu kompensieren. Die Innenstädte verdienen eine faire Chance, Sonntagsöffnungen können dabei helfen.
Zeit zum Handeln
Es braucht mehr Verlässlichkeit für Sonntagsöffnungen
Mit Blick auf die in ganz Deutschland immer wieder kurzfristig von den Gerichten gekippten Genehmigungen für Sonntagsöffnungen in Innenstädten fordert die Branche bereits seit vielen Jahren endlich rechtssichere Lösungen für gelegentliche verlässliche Sonntagsöffnungen. Über die genaue Anzahl der Sonntagsöffnungen im Jahr haben die Länder zu entscheiden. Es geht darum, zukünftig das große Engagement und die finanziellen Investitionen der Händler vor einer bereits durch die Behörden genehmigten Sonntagsöffnung besser zu schützen. Die Händler bleiben zu oft auf den Kosten für geschaltete Werbung und ihr Personal sitzen. Das ist unfair und kann so nicht weitergehen. Notfalls wäre auch eine Grundgesetzänderung möglich, um eine bundesweite Klarstellung zu erhalten.
Die Innenstädte müssen an einigen Sonntagen im Jahr den Menschen vor Ort Events anbieten dürfen, bei denen dann auch eingekauft werden kann. Shopping ist heute für viele Menschen und Familien längst ein gemeinsames Event geworden. Dieses Bedürfnis der Kunden müssen die Händler durch verlässliche Sonntagsöffnungen bedienen können. Der Sonntag ist dafür geradezu ideal. Die Händler unterstützen dies dann oft mit tollen Begleitaktionen in den Innenstädten. Die Sonntagsöffnungen fördern damit die Attraktivität von Innenstadtkonzepten, sorgen für Umsatzsteigerungen im Einzelhandel und weiteren Branchen (z. B. Gastronomie) und sind damit ein wichtiger Baustein, um auch massenhaft Arbeitsplätze in den Innenstädten zukünftig abzusichern und den Ländern zusätzliche Steuereinnahmen zu bescheren. Das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Ausnahme-Regel- Prinzip bleibt dabei stets gewahrt.
Bemerkenswert ist, dass die Sonntagsöffnung im stationären Bereich in keinem anderen EU-Staat derart beschränkt ist wie in Deutschland. Die deutsche Sonderrolle ist für viele Menschen inzwischen nicht mehr nachvollziehbar. Und auch beim Personal ist die Sonntagsöffnung übrigens beliebt, das zeigt ein Blick in die Praxis der Unternehmen. So wird etwa die besondere Atmosphäre mit entspannten Kunden oft betont.
Steven Haarke
Geschäftsführer Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik
E-Mail: haarke@hde.de