So sieht es aus
Zunehmende Regulierungsdichte führt zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsbeschränkungen
Die geltende Rechtsordnung enthält verschiedene Regelungen, welche die Vertragsfreiheit in den B2B-Beziehungen einschränken. Dies führt im Ergebnis zu Wettbewerbsbeschränkungen. Das gilt insbesondere für die Regeln der Missbrauchsaufsicht im deutschen Kartellrecht und die Verbote des AgrarOLkG.
Bereits seit längeren enthält das GWB mit dem „Anzapfverbot“ eine Bestimmung, mit der sichergestellt werden soll, dass Unternehmen die Vertragsbedingungen miteinander frei vereinbaren und Vertragspartner nicht aufgrund einer etwaigen Abhängigkeit gezwungen werden, sachlich ungerechtfertigte Vorteile zu gewähren.
Das „Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis“ untersagt es dem Abnehmer grundsätzlich, Lebensmittel auch nur gelegentlich unter dem Einstandspreis an Verbraucher weiter zu veräußern. Diese Verbote sind in den letzten Jahren mehrfach verschärft worden und wurden in der letzten Legislaturperiode noch durch Erleichterungen zur Anordnung von Maßnahmen durch das Bundeskartellamt zur Beseitigung oder Verringerung von Wettbewerbsstörungen flankiert (§ 32 f Abs. 3 GWB-E).
Der neue § 32 f Abs. 3 GWB ermöglicht weitgehende und unverhältnismäßige Eingriffe in die unternehmerische Handlungsfreiheit ohne hinreichend konkretisierte Voraussetzungen sogar gegenüber rechtskonform agierenden Unternehmen ausschließlich aufgrund ihrer Marktposition. Damit wurde die Tür zu einer staatlichen Lenkung bzw. Steuerung von Marktprozessen geöffnet. Bereits die Existenz dieser gesetzlichen Ermächtigung des Bundeskartellamts ist geeignet, die Wettbewerbsintensität zu dämpfen, auch wenn von den Möglichkeiten zunächst kein Gebrauch gemacht werden sollte.
Die gleichzeitig als „ultima ratio“ eingeführte Entflechtungsmöglichkeit unabhängig von einem konkreten Wettbewerbsverstoß (§ 32 f Abs. 4 GWB-E) kann in Folge angeordneter Zwangsverkäufe zu Wettbewerbsverzerrungen führen und diskriminiert national tätige Unternehmen. Es ist zudem fraglich, ob die mit dem Zwangsverkauf verbundene Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechte mit dem Schutz der Grundrechte Dritter gerechtfertigt werden kann. Da viel dafürspricht, dass eine solche Maßnahme wegen der damit verbundenen Wertverluste als unverhältnismäßig zu bewerten ist, begegnet sie ernsten verfassungsrechtlichen Bedenken.
Weitere und umfassende Regulierungen und Verbote sind mit den Bestimmungen des 2021 in Kraft getretenen AgrarOLkG verbunden. Die damit eingeführten und über die EU-Vorgaben der UTP-Richtlinie hinausgehenden Einschränkungen der Vertragsgestaltungsfreiheit durch zahlreiche Klauselverbote haben bereits nachweislich zu Effizienzverlusten in der Lieferkette geführt und sich gleichzeitig in der Praxis als ungeeignet erwiesen, das Ziel des Normgebers – die Verbesserung der Ertragslage der Erzeuger – zu erreichen. Obwohl mit der Novelle des Gesetzes im Jahr 2024 einige richtige, aber unzureichende Korrekturen vorgenommen wurden, hat sich die mit dem Gesetz verbundene Regulierungsintensität durch die Einführung eines neuen und unbestimmten Umgehungsverbots im Ergebnis nochmals erhöht.
Die nun in dem Gesetz enthaltenen konkreten und abstrakten Vertragsgestaltungsvorschriften sollen zwar „nur“ faires Verhalten in der Lieferkette gewährleisten, greifen aber an zentralen Stellen in die Vertragsautonomie ein und sind damit geeignet, den Wettbewerb zu beschränken und zu Marktstörungen zu führen.
Die Herausforderung
Vertragsfreiheit im B2B-Bereich fördert die Verbraucherwohlfahrt
Die Regulierung der Vertragsbeziehungen im B2B-Bereich ist problematisch, weil ihr der Gedanke zugrunde liegt, staatliche Eingriffe führten zu gerechteren und damit besseren Marktergebnissen als die autonom zwischen den Marktteilnehmern vereinbarten Verträge. Die Verbraucherwohlfahrt ist damit zum Teil aus dem Blickfeld geraten. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn mit den wettbewerbsbeschränkenden Eingriffen das Ziel verfolgt wird, Partikularinteressen zu fördern.
Die Verbote greifen in die Vertragsfreiheit von Lieferanten und Händlern ein, indem die Parteien bei der Gestaltung der Lieferverträge beschränkt werden. Kumuliert betrachtet nimmt der Gesetzgeber erheblichen Einfluss sowohl auf die Einkaufs- als auch auf die Verkaufspreisgestaltung der Händler. Die Gestaltung von Preisen und Konditionen ist aber ein wichtiger Parameter im jeweiligen Wettbewerb der Lieferanten und Handelsunternehmen. Durch die Regelung des Anzapfverbots und die neuen Bestimmungen des AgrarOLkG wird in die einvernehmliche sowie freie Konditionengestaltung und damit in die Vertragsfreiheit eingegriffen – selbst wenn die betroffenen Unternehmen nur über relative Marktmacht verfügen – und damit insbesondere auch der stark ausgeprägte Wettbewerb zwischen den Handelsunternehmen beschränkt. Dies kann langfristig zu höheren Preisen zulasten der Verbraucher führen. Die Verbote bewirken zudem die Verkrustung bestehender Vertriebsstrukturen auf Seiten der Hersteller und hemmen die Anreize zur Innovation bei der Konditionengestaltung.
Mit dem AgrarOLkG und dem Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis wurde die wettbewerbsökonomisch problematische Hoffnung verknüpft, dass sie zu einer (mittelbaren) Erhöhung der Verbraucherpreise für Lebensmittel führen und damit in der Folge die Ertragssituation der Landwirte verbessern, so dass gleichsam zwangsläufig auch die Lebensmittelqualität bzw. die Tierhaltungsbedingungen optimiert werden. Dieses Ziel kann schon von vornherein durch die Verbote deshalb nicht erreicht werden, weil die Lebensmitteleinzelhändler in aller Regel keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Landwirten unterhalten und die Verbraucherabgabepreise im Handel daher mit wenigen Ausnahmen keine Auswirkungen auf die Ertragssituation der Erzeuger haben. Der in der politischen Diskussion immer wieder bemühte „Kaskadeneffekt“, dem die Hypothese zu Grunde liegt, die Industrie-Lieferanten des Handels würden verbesserte Margen gleichsam altruistisch mit den Vorstufen teilen, widerspricht der betriebswirtschaftlichen Logik und kann als widerlegt betrachtet werden.
Die Verbote sind aber mit der Gefahr höherer Verbraucherpreise verbunden – eine mögliche Folge, die vom Gesetzgeber sogar intendiert wird. Weiterhin können sie tendenziell die Konzentration bei den Lieferanten verstärken und die Angebotsvielfalt in den Ladengeschäften sowie die Innovation reduzieren. Diese Konsequenzen laufen in offensichtlicher Weise dem Verbraucherinteresse zuwider.
Zeit zum Handeln
Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmen deregulieren!
Die Vertragsbeziehungen im B2B-Bereich sollten auf nationaler, aber auch auf EU-Ebene dereguliert werden. Das „Anzapfverbot“ und das „Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis“ sind vollständig zu streichen. Wenn es hierzu am politischen Willen fehlt, sollten die Verschärfungen des Tatbestands aus den letzten Jahren zurückgenommen werden. Zumindest muss auf weitere Regulierungen verzichtet werden.
Im AgrarOLkG sind Regulierungen, die über die EU-Vorgaben der UTP-Richtlinie hinausgehen, zurückzunehmen. Die nicht zuletzt wettbewerbsökonomisch begründeten Entscheidung des EU-Normgebers, Großunternehmen vom Anwendungsbereich auszunehmen und klar definierte Vertragsgestaltungsformen nur unter bestimmten Voraussetzungen zu verbieten, sollte auch auf nationaler Ebene respektiert werden. Auf EU-Ebene sollte die Bundesregierung im Rahmen der für 2025 geplanten Evaluierung Forderungen nach einer Verschärfung der UTPRichtlinie eine klare Absage erteilen. Insbesondere darf kein Verbot des Einkaufs unter Produktionskosten eingeführt werden, da dieses zu neuen Wettbewerbsbeschränkungen und unverhältnismäßiger Bürokratie führen würde, ohne aber die Ertragslage der Erzeuger zu verbessern. Erforderlich ist vielmehr eine Deregulierung der UTP-Richtlinie auf EU-Ebene und eine Harmonisierung der Vorschriften in den Mitgliedsstaaten auf entsprechend niedrigem Niveau.
Dr. Peter Schröder
Bereichsleiter Recht- und Verbraucherpolitik
E-Mail: E-Mail: schroeder@hde.de