So sieht es aus

Die geltende Rechtsordnung enthält verschiedene Regelungen, welche die Vertragsfreiheit in den B2B-Beziehungen einschränken. Dies führt im Ergebnis zu Wettbewerbsbeschränkungen. Das gilt insbesondere für die Regeln der Missbrauchsaufsicht im deutschen Kartellrecht und die neue UTP-Gesetzgebung.

Bereits seit längeren enthält das GWB mit dem „Anzapfverbot“ eine Bestimmung, mit dem sichergestellt werden soll, dass Unternehmen die Vertragsbedingungen miteinander frei vereinbaren und Vertragspartner nicht aufgrund einer etwaigen Abhängigkeit gezwungen werden, sachlich nicht gerechtfertigte Vorteile zu gewähren.

Das „Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis“ untersagt es dem Abnehmer grundsätzlich, Lebensmittel auch nur gelegentlich unter dem Einstandspreis an Verbraucher weiter zu veräußern.

Die Verbote sind in den letzten Jahren mehrfach verschärft worden.

Weitere und umfassende konkrete Regulierungen und Verbote sind mit den Bestimmungen der UTP-Richtlinie verbunden, die im Juni 2021 mit dem Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) in nationales Recht umgesetzt wurden. Das AgrarOLkG enthält insgesamt sieben absolute und drei bedingte Klauselverbote, welche die Handlungsspielräume der Vertragspartner bei der Vertragsgestaltung reduzieren. Damit soll „faires“ Verhalten in den Lieferbeziehungen gewährleistet werden. Gleichzeitig wird mit den konkreten Vertragsgestaltungsvorschriften in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 GG) eingegriffen.

Die Herausforderung

Die Regulierung der Vertragsbeziehungen im B2B-Bereich ist problematisch, weil ihr der Gedanke zugrunde liegt, staatliche Eingriffe führten zu gerechteren und damit besseren Marktergebnissen als die autonom zwischen den Marktteilnehmern vereinbarten Verträge. Die Verbraucherwohlfahrt gerät damit zum Teil aus dem Blickfeld.

Die Verbote greifen in die Vertragsfreiheit von Lieferanten und Händlern ein, indem die Parteien bei der Gestaltung der Lieferverträge beschränkt werden. Kumuliert betrachtet nimmt der Gesetzgeber erheblichen Einfluss sowohl auf die Einkaufs- als auch auf die Verkaufspreisgestaltung der Händler. Die Gestaltung von Preisen und Konditionen ist aber ein wichtiger Parameter im jeweiligen Wettbewerb der Lieferanten und Handelsunternehmen. Durch die Regelung des Anzapfverbots und die neuen UTP-Bestimmungen wird in die einvernehmliche sowie freie Konditionengestaltung und damit in die Vertragsfreiheit eingegriffen – selbst wenn die betroffenen Unternehmen nur über relative Marktmacht verfügen – und somit insbesondere auch der stark ausgeprägte Wettbewerb zwischen den Handelsunternehmen beschränkt. Dies kann langfristig zu höheren Preisen zulasten der Verbraucher führen. Die Verbote bewirken zudem die Verkrustung bestehender Vertriebsstrukturen auf Seiten der Hersteller und hemmen die Anreize zur Innovation bei der Konditionengestaltung.

Mit der UTP-Gesetzgebung wurde ebenso wie mit dem Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis die wettbewerbsökonomisch problematische Hoffnung verknüpft, dass sie zu einer Erhöhung der Verbraucherpreise für Lebensmittel führen werden, so dass der Handel auch den Landwirten höhere Preise zahlt, sich dadurch die Ertragssituation der Landwirte optimiert und in der Folge die Lebensmittelqualität bzw. die Tierhaltungsbedingungen gleichsam zwangsläufig verbessern würden. Dieses Ziel kann schon von vornherein durch die Verbote nicht erreicht werden, weil die Lebensmitteleinzelhändler in aller Regel keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Landwirten unterhalten und die Verbraucherabgabepreise im Handel daher mit wenigen Ausnahmen keine Auswirkungen auf die Ertragssituation der Erzeuger haben.

Die Verbote sind aber mit der Gefahr höherer Verbraucherpreise verbunden – eine mögliche Folge, die vom Gesetzgeber sogar intendiert wird. Weiterhin können sie tendenziell die Konzentration bei den Lieferanten verstärken und die Angebotsvielfalt in den Ladengeschäften sowie die Innovation reduzieren. Diese Konsequenzen laufen in offensichtlicher Weise dem Verbraucherinteresse zuwider.

Zeit zum Handeln

Die Vertragsbeziehungen im B2B-Bereich sollten dereguliert werden.

Das „Anzapfverbot“ und das „Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis“ sind vollständig zu streichen. Wenn es hierzu am politischen Willen fehlt, sollten die Verschärfungen des Tatbestands aus den letzten Jahren zurückgenommen werden.

Zumindest muss auf weitere Regulierungen verzichtet werden. Regulierungen über die EU-Vorgaben hinaus sind zurückzunehmen. Dies gilt insbesondere für die UTP-Regeln im AgrarOLkG. Hier hatte sich der EU-Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, Großunternehmen vom Anwendungsbereich auszunehmen und neben generellen Verboten bestimmte Vertragsgestaltungsformen nur bei Fehlen bestimmter Voraussetzungen zu verbieten. Der nationale Gesetzgeber sollte daher im Rahmen der 2023 anstehenden Evaluierung die über das EU-Recht hinausgehenden nationalen Regulierungen zurücknehmen und den Anwendungsbereich an die EU-Vorgaben anpassen.

Damit die Handlungsspielräume der Marktteilnehmer nicht völlig unverhältnismäßig eingeschränkt werden und auch in Zukunft Effizienzgewinne mit Vorteilen für die Verbraucher möglich bleiben, sollte außerdem auf weitere Regulierungen und Verschärfungen unbedingt verzichtet werden.

Dr. Peter Schröder
Bereichsleiter Recht- und Verbraucherpolitik
E-Mail: schroeder@hde.de