So sieht es aus
Neue EU-Verordnung bietet Chancen
Ab dem 16. Juli 2021 gilt in der Europäischen Union die neue Marktüberwachungsverordnung 2019/1020/EU. Sie bietet den Marktwächtern neue Möglichkeiten, Online-Handel und Plattformen zu kontrollieren und für die Einhaltung von Produktsicherheit zu sorgen. Insbesondere wird die Kontrolle von Fulfilment Centern, die nun als Wirtschaftsakteure gelten, erleichtert. Zudem werden ausländische Händler verpflichtet, einen Ansprechpartner in der EU vorzuweisen, um ein Produkt auf dem europäischen Markt bereitstellen zu können. Diese neuen Kontroll- und Durchgriffsbefugnisse bieten eine Chance, die Fairness und Sicherheit des europäischen Marktes aufrechtzuerhalten.
Die Herausforderung
Gefährlichen Produkten habhaft werden
Nahezu 10% des deutschen Online-Shoppings geschieht über ausländische Anbieter. Das entspricht laut HDE Online Monitor 2021 einem Umsatzvolumen von 7,1 Mrd. Euro. Oftmals geschieht das nicht bewusst. Von den 7,1 Mrd. Euro Umsatz wurden 4,1 Mrd Euro also 58% unbewusst dort bestellt. Die Beschwerden über nicht sichere, gefälschte oder qualitativ fragwürdige Produkte aus solchen Bestellungen häufen sich. Seit Jahren gibt es Klagen, dass viele Produkte in Deutschland nicht verkehrsfähig sind. Mangelnde Qualität, gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe, gefälschte Siegel oder Markenpiraterie werden immer wieder entdeckt. Durch die fehlende Registrierung der Händler im EU Binnenmarkt kann man den Händlern oftmals nicht habhaft werden. Die neue Marktüberwachungsverordnung kann dabei nur ein erster Schritt zur Lösung des Problems sein.
Zeit zum Handeln
Schritt in die richtige Richtung
Was ändert sich mit der EU- Marktüberwachungsverordnung?
- Die Definition eines „Wirtschaftsakteurs“ wird um Fulfillment-Center erweitert. Als Fulfilment-Center gilt demnach jede rechtliche oder natürliche Person, die mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen ausübt: Lagerung, Verpackung, Adressierung und/oder Versendung von Waren. Daraus folgt, dass Marktüberwachungsbehörden Befugnisse gegenüber Fulfilment-Centern ausüben dürfen, sodass die Bewachung für die Behörden erleichtert wird.
- Um ein Produkt auf dem EU-Binnenmarkt bereitstellen zu können, ist (für bestimmte, harmonisierte Produktgruppen, worunter aber die wichtigsten Waren fallen: 2011/305/EU (Bauprodukte), 2006/42/EG (Maschinen), 2016/425/EU (Persönliche Schutzausrüstungen), 2009/125/EG (Ökodesign), 2009/48/EG (Spielzeug), 2013/29/EU (Pyrotechnik), 2014/35/EU (NiederspannungsRL), 2014/53/EU (Funkanlagen), 2013/53/EU (Sportboote), u.a.) ein in der EU ansässiger Wirtschaftsakteur erforderlich und zwar ein Hersteller, ein Importeur (sofern der Hersteller außerhalb der EU sitzt), ein Bevollmächtigter oder ein Fulfilment-Center, sofern für die von ihm bearbeiteten Warensendungen kein anderer, innerhalb der EU niedergelassener Akteur verantwortlich ist.
- Als ultima ratio können Marktüberwachungsbehörden nun von Unternehmen verlangen, Inhalte von Webseiten herunterzunehmen bzw. einen Warnhinweis anzuzeigen. Sollte dem nicht Folge geleistet werden, können Internetprovider außerdem aufgefordert werden, den Zugang zu Webseiten einzuschränken.
- Die sog. Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft sind wie Wirtschaftsakteure verpflichtet, mit den Marktüberwachungsbehörden bei der Vermeidung von Risiken durch ein Produkt, das über die Plattform angeboten wird, zusammenzuarbeiten
Wo sind Lücken?
Fulfillment-Center und Marktplätze mit der neuen europäischen Marktüberwachungsverordnung zu kontrollieren, ist wichtig, kann das Problem jedoch nicht lösen, solange die Finanzverwaltung und der Zoll nicht konsequent digitalisiert werden und ihre Daten austauschen. Im vergangenen Jahr beschlagnahmten die Zollbehörden Produkte im Wert von knapp 240 Millionen Euro. Gemessen am deutschen Importvolumen von 1025 Milliarden Euro im gleichen Jahr, bleibt es eine verschwindend geringe Summe.
Wollen wir fairen Wettbewerb, wollen wir sichere Produkte, wollen wir eine moderne Marktüberwachung, dann müssen wir sofort und schnell die Behörden digitalisieren und technologisch ermächtigen, ihre Aufgaben in einer globalisierten und digitalen Welt zu erfüllen.
Dara Kossok-Spieß
Referentin Netzpolitik und Digitalisierung
E-Mail: kossok-spiess@hde.de