So sieht es aus
Ein historischer Integrationsschritt für die EU
Mit dem Corona-Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ in einer Gesamthöhe von 750 Mrd. Euro nimmt die Europäische Union zum ersten Mal in ihrer Geschichte gemeinsam Schulden auf und beschreitet den nächsten großen Integrationsschritt.
Die Europäische Kommission hat die Wirtschaftssektoren dafür in sog. „Ecosystems“ unterteilt und den Einzelhandel (neben dem Tourismussektor) als die Branche mit dem höchsten Investitionsbedarf identifiziert. Diese Einordnung ist ein bedeutender Hinweis für nationale Reformpläne, die nun von den Mitgliedstaaten präsentiert werden müssen, um diese EU-Mittel zu erhalten.
Die Herausforderung
Mittel müssen direkt dorthin, wo sie benötigt werden
Die große Herausforderung besteht nun darin, diese Mittel zügig dorthin zu bringen, wo sie dringend benötigt werden. Um Mittel aus dem Fonds zu bekommen, müssen die Mitgliedstaaten nationale Reform- und Investitionspläne für die Jahre 2021 bis 2023 in Brüssel einreichen. Der deutsche Reformplan ist leider viel zu unambitioniert. Ein Großteil der aufgeführten Maßnahmen war ohnehin bereits Teil des deutschen Konjunkturpaketes und im nationalen Haushalt veranschlagt.
Anstatt neue Impulse in Richtung mehr staatlicher Investitionen zu setzen, wurde einfach die Finanzierungsquelle für ohnehin geplante Maßnahmen geändert. Hier wird eine große Chance verpasst, Reformen anzugehen, die den Namen verdienen. Weder hat die Bundesregierung die Empfehlungen der EU beherzigt, über eine Steuerreform Arbeitnehmer zu entlasten, noch hat sie eine ehrgeizige Rentenreform skizziert.
Zeit zum Handeln
Einzelhandel im EU-Wiederaufbauplan priorisieren
Wir plädieren dafür, die Mittel aus dem Wiederaufbauplan als wirklichen Investitionsbooster zu nutzen. Die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung auf nationaler und regionaler Ebene ist überfällig, Deutschland liegt hier auf den hintersten Rängen im europäischen Vergleich. Alleine die schleppende Auszahlung der Corona-Wirtschaftshilfen für notleidende Händler hat dies in erschreckendem Maß gezeigt.
Die zukünftige Bundesregierung sollte hier klare Schwerpunkte setzen und die Reformpläne so nacharbeiten, dass die Wirtschaftssektoren und Gesellschaftsbereiche, die von der Krise besonders hart getroffen wurden – wie der Einzelhandel und die Innenstädte – in den Investitionsplänen prioritär berücksichtigt werden.
Staatliche Investionen sollten gezielt in die Wiederbelebung unserer Innenstädte fließen. Sie sind die öffentlichen Räume, die unser soziales Miteinander stets prägten und der Handel ist eines der wesentlichen Elemente für das Funktionieren dieser öffentlichen Räume. Hier ist nun die Politik wirklich gefragt, Hand in Hand mit Kommunen und der Handelsbranche mutig auf zukunftsfähige, lebenswerte Stadtzentren hinzuarbeiten, im urbanen und im ländlichen Raum gleichermaßen. Das muss schnell gehen, denn viele Innenstädte sind nach monatelangem Lockdown ihrer ortsansässigen Einzelhändler akut von Verödung bedroht.
Fabian Fechner
Stellvertretender Leiter – Büro Brüssel
E-Mail: fechner.europa@hde.de
Was sagen die Händler?
„Dass die EU ihren Mitgliedsländern mit einem Aufbauprogramm aus der Krise helfen will, ist sicherlich lobenswert. Hier muss der Handel mit an erster Stelle stehen. Es muss jetzt alle Kraft darauf verwendet werden, gerade auch in die Digitalisierung zu investieren.“
Ernst Läuger
Vizepräsident des HDE
Geschäftsführender Gesellschafter
Benno Marstaller KG