Neustart
Welche konkreten Maßnahmen werden Sie umsetzen, um den von der Coronakrise gebeutelten Handel zu unterstützen, seine Geschäftsmodelle neu und nachhaltiger aufzustellen?
Die Pandemie hat die bereits zuvor einsetzende Transformation im Einzelhandel sicher noch beschleunigt. Zur Hilfestellung für den Einzelhandel enthielt bereits das Konjunkturpaket vom Sommer 2020 Hilfen für den Auf- und Ausbaus von Internetplattformen und außerdem erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten für digitale Wirtschaftsgüter. Wir wollen die Versorgung mit schnellem Internet vorantreiben, gerade auch für die mittelständische Wirtschaft im ländlichen Raum. Dafür soll in den 20er Jahren die Versorgung mit mindestens einem Gigabit pro Sekunde eingeführt werden. Darüber hinaus wollen wir Plattformen für den regionalen Handel und regionale Dienstleistungen fördern. Der Handel vor Ort darf steuerlich nicht gegenüber dem Onlinehandel ins Hintertreffen geraden.
Nachhaltigkeit
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die EEG-Umlage kein wirkungsvolles Instrument zur CO2-Vermeidung ist. Wie stehen Sie zu der Forderung, die EEG-Umlage abzuschaffen und durch ein marktwirtschaftliches Modell ersetzen, das auf einem europäischen und nationalen CO2-Preis basiert?
Die EEG-Umlage ist und war nie zum Zweck der CO2-Vermeidung angelegt. Demgegenüber ist der Zweck des CO-2 Preises, Anreize zu setzen: Was gut ist für das Klima, soll günstiger werden – was schlecht ist, teurer. Der kontinuierlich und verlässlich ansteigende Preis setzt Anreize für Bürger*innen sowie Unternehmen, in den kommenden Jahren auf klimafreundlichere Lösungen umzusteigen.
Diese Entwicklung wollen wir aber momentan nicht dem freien Markt überlassen. Bereits jetzt stellt der CO-2 Preis für viele eine erhebliche Belastung dar, ohne dass ihnen die klimafreundlichen Alternativen zur Verfügung stehen. Um hier zu entlasten, werden wir die EEG-Umlage bis 2025 abschaffen. Damit machen wir Strom günstiger. Das kommt allen Bürger*innen und der Wirtschaft zugute.
Bald kommt ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz. Werden Sie sich für eine „sunset clause“ einsetzen, um einzelstaatliche Regelungen zugunsten einer europäisch harmonisierten Regelung abzuschaffen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für deutsche Handelsunternehmen sicherzustellen?
Nach dem Inkrafttreten eines europäischen Sorgfaltspflichtengesetzes sollten bestehende Regeln auf Kompatibilität überprüft werden.
Innenstädte
Infolge der Digitalisierung sind unsere Innenstädte grundlegenden Veränderungen unterworfen. Damit sie auch künftig lebenswert sind, muss das Nebeneinander unterschiedlicher Stadtakteure wieder möglich sein. Wie werden Sie die funktionale Durchmischung der Innenstädte stärken?
Die Corona-Pandemie verstärkt die Strukturveränderungen in unseren Innenstädten und Stadtteilzentren. Das betrifft den Einzelhandel, die Gastronomie und das Hotelgewerbe ebenso wie Museen, Theater, Büchereien und Kinos. Die gemeinsam mit den Ländern getragene Städtebau-Förderung sichern wir ab. Wir unterstützen die Städte dabei, die Innenstädte lebendig zu halten und notwendige Nutzungsänderungen mitgestalten zu können, unter anderem durch eine Mietpreisbegrenzung, einen Mieterschutz im Gewerbeimmobilienbereich, durch Konzepte zur Revitalisierung von Standorten und die Förderung von Co-Working-Spaces in den Innenstädten.
Digitalisierung
Viele kleine und mittelständische Handelsunternehmen sind in Folge des Lockdowns finanziell ausgezehrt und können notwendige Investitionen, etwa in die Digitalisierung, nicht aus eigener Kraft stemmen. Wie werden Sie den Handel dabei unterstützen, den Strukturwandel zu bewältigen?
Die Förderung von Start-ups und kleinen und mittleren Unternehmen, die in vielfältigen Förderprogrammen, teils auch über die KfW, bereitstehen, können auch dem mittelständischen Handelsunternehmen bei einem guten Weg in die Zukunft helfen.
Wettbewerb
Deutschland verfügt bereits über ein im europäischen Vergleich hohes Verbraucherschutzniveau, das für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Konsumenten und der Wirtschaft sorgt. Halten Sie vor diesem Hintergrund weitere Regulierungen zum Schutz der Verbraucher für erforderlich?
Nach Ansicht der SPD gibt es hier noch immer eine deutliche Schieflage zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher, die es auszugleichen gilt. Darum begrüßen wir die neue europäische Verbandsklage als echtes Schwert auf der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir werden für eine verbraucherfreundliche Umsetzung ins deutsche Recht sorgen. Damit lassen sich dann Zahlungen und andere Leistungen direkt an Verbraucher durchzusetzen. Durch eine wirklich gut funktionierende Rechtsdurchsetzung schützt man die Unternehmen im Wettbewerb, die alles richtig machen, weil man den Rechtsbrüchigen den unrechtmäßig erlangten Wettbewerbsvorteil nimmt.
Beschäftigung
Die deutsche Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell und hat sich auch in Krisenzeiten bewährt. Dennoch hat der Gesetzgeber zuletzt immer stärker in die Tarifautonomie eingegriffen. Wie werden Sie die Gestaltungsfreiheit für die Sozialpartner fördern und die Tarifautonomie stärken?
Die Sozialpartnerschaft ist ein Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Doch in der Realität bröckelt dieser Pfeiler durch stetig abnehmende Tarifbindung der Unternehmen. Diejenigen Unternehmen, die die Sozialpartnerschaft vorbildlich leben und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, geraten zunehmend unter Wettbewerbsdruck. Es müssen faire Bedingungen für alle gelten. Wir werden die Sozialpartnerschaft wieder stärken, indem wir die Tarifbindung fördern (bspw. durch ein Bundestariftreuegesetz) und die Unternehmens- sowie die betriebliche Mitbestimmung ausbauen. Die Bewältigung der Herausforderungen, die vor uns liegen, kann nach sozialdemokratischem Verständnis nur auf Augenhöhe mit den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften gelingen.