So sieht es aus
Minijobs sind ein Erfolgsmodell für Deutschland
Die 450-Euro-Minijobs (kurz: Minijobs) sind im Einzelhandel nach wie vor von großer Bedeutung, um etwa die branchentypischen Stoßzeiten und Auftragsspitzen abfedern zu können. Minijobs haben sich auch in der Pandemie als wichtige Stütze erwiesen. Hinzu kommt die zunehmende Arbeitszeitsouveränität der Arbeitnehmer durch immer neue gesetzliche Teilzeitansprüche wie etwa der Brückenteilzeit. Minijobs sind also ein wichtiges Instrument, um die dadurch vermehrt freiwerdenden geringen Arbeitszeitkontingente aufzufüllen. Für viele Menschen sind Minijobs zudem auch eine gute Möglichkeit für einen Wiedereinstieg, etwa nach einer längeren Pause („Brückenfunktion“).
Die Herausforderung
Die Attraktivität der Minijobs muss bewahrt werden
Regelmäßige Entgelterhöhungen haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass Minijobber tatsächlich immer weniger Stunden arbeiten können. Damit reduziert sich die Attraktivität der beliebten Minijobs nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für Arbeitnehmer deutlich, da diese aufgrund des regelmäßigen Anstiegs der Verbraucherpreise über immer weniger Kaufkraft verfügen. Das ist insbesondere für die vielen Menschen unbefriedigend, die aufgrund ihrer Lebenumstände (etwa wegen Studium, Pflege o. Kinderbetreuung) gar keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen können und daher auf Minijobs angewiesen sind.
Zeit zum Handeln
Anhebung und Dynamisierung der Einkommensgrenze bei den Minijobs ist zu begrüßen – geplante Änderungen beim Midijob sind hingegen abzulehnen
Die letzte Anpassung der Verdienstgrenze bei Minijobs von damals 400 € auf 450 € wurde zum Jahresbeginn 2013, also vor mehr als neun Jahren vollzogen. Das ist inzwischen sehr lange her. Es ist daher nun sehr zu begrüßen, dass die Ampel-Koalition mit dem Kabinettsbeschluss vom 23. Februar 2022 die Einkommensgrenze für den Minijob zumindest auf 520€ im Monat anheben und zudem entsprechend der Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns auch dynamisieren will. Mit der Anhebung und Dynamisierung der starren Entgeltgrenze beim Minijob soll eine seit Langem geäußerte Forderung des HDE umgesetzt werden. Das ist sehr erfreulich, dabei muss es aber auch bleiben. Die in dem Regierungsentwurf ebenfalls vorgesehene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes auf 12 € pro Stunde wird vom HDE strikt abgelehnt. Es handelt sich dabei um eine Entmachtung der unabhängigen Mindestlohnkommission sowie einen massiven Eingriff in die Tarifautonomie. Auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine mit derzeit noch völlig unabsehbaren humanitären und wirtschaftlichen Konsequenzen ist eine Neubewertung dieses Vorhabens geboten.
Auch die im Regierungsentwurf enthaltende Neuregelung zur unvorhergesehenen Überschreitung der Entgeltgrenze beim Minijob ist überflüssig und sorgt zudem unnötig für neue Rechtsunsicherheiten. Die Umverteilung der Beitragslast beim Midijob zu Lasten der Arbeitgeber ist absolut inakzeptabel und damit unbedingt zu streichen. Es handelt sich um eine Abkehr vom bisherigen System des Übergangsbereichs zwischen geringfügiger und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und sanktioniert vor allem große Arbeitgeber in Branchen wie dem Einzelhandel mit einer typischerweise hohen Teilzeitquote durch jährliche Zusatzkosten in Millionenhöhe. Die Regelung ist zudem nicht vom aktuellen Koalitionsvertrag gedeckt.
Fakt ist zudem, dass im Einzelhandel keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung durch Minijobs verdrängt wird. Das Gegenteil ist der Fall: So ist in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl der Minijobber in der Branche um rund 150.000 zurückgegangen und das obwohl die Gesamtbeschäftigung im gleichen Zeitraum gestiegen ist. Seit 2011 ist die Gesamtbeschäftigung im Einzelhandel um mehr als 190.000 Stellen angewachsen. Nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind trotz der Corona-Krise und dank Kurzarbeit damit weiter rund 3,1 Millionen Menschen im Einzelhandel beschäftigt. Rechtliches: Minijobber haben übrigens selbstverständlich auch Anspruch auf alle üblichen Arbeitnehmerschutzrechte (z. B. Kündigungsschutz, Urlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit). Für die Arbeitszeitdokumentation gelten bei Minijobbern sogar besonders strenge Vorgaben. Darüber hinaus gelten im Sozial- und Steuerrecht Sonderregelungen: Der Arbeitgeber zahlt hier den Großteil in Form einer Pauschalabgabe (etwa 30 %). Minijobs sind für Arbeitgeber im Ergebnis damit sogar teurer als eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Der Vorteil, das Entgelt „brutto für netto“ auszahlen zu können, ist hier regelmäßig das entscheidende Argument. Oft lässt sich nur so das Personal, dass aufgrund der individuellen Lebensumstände gezielt nach Minijobs sucht, für Tätigkeiten mit geringen Arbeitszeitvolumen und hoher Flexibilität gewinnen. Es geht für die Unternehmen damit also nicht um die Kosten, sondern vielmehr um Personalgewinnung.
Steven Haarke
Geschäftsführer Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik
E-Mail: haarke@hde.de
Was sagen die Händler?
„Unternehmer müssen flexibel sein – klar. Besonders in der Pandemie waren wir häufig mit täglich wechselnden Herausforderungen konfrontiert. Als Team konnten wir da eine Menge ausgleichen. Dabei hat sich aber auch gezeigt, wie wichtig ein flexibler Personaleinsatz ist. Wir mussten Lücken füllen und Stunden ausgleichen. Unsere Minijobber waren eine große Hilfe. Die starre Einkommensgrenze ist allerdings überholt und sollte mindestens auf 600 Euro erhöht werden.“
Björn Fromm
Vizepräsident des HDE
Geschäftsführer Fromm Lebensmittel GmbH