Neustart

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie umsetzen, um den von der Coronakrise gebeutelten Handel zu unterstützen, seine Geschäftsmodelle neu und nachhaltiger aufzustellen?

DIE LINKE hat die Bundesregierung immer wieder ermahnt, ihre Hilfsprogramme vorab von Praxisvertretern auf ihre Tauglichkeit und Angemessenheit prüfen zu lassen. Leider haben Union und SPD darauf weitgehend verzichtet. Deshalb ist es seit der ersten Corona-Soforthilfe immer wieder zu schwerwiegenden Regelungslücken und handwerklichen Fehlern gekommen. Die Abschlagzahlungen hätten sehr viel schneller erfolgen können, wenn die Bundesregierung – wie von der LINKEN vorgeschlagen – die Finanzämter zur Prüfung von Unternehmensidentitäten, Steuernummern und Umsatzsteuernummern einbezogen hätte. Sollte es künftig Infektionswellen geben, ist eine dauerhafte Öffnung von Geschäften denkbar, wenn bewährte Maßnahmen (strenge Hygieneregeln, schnellere Impfung, massenhafte Schnelltests, funktionierende Warn-App) zügig und konsequent eingesetzt werden.

Nachhaltigkeit

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die EEG-Umlage kein wirkungsvolles Instrument zur CO2-Vermeidung ist. Wie stehen Sie zu der Forderung, die EEG-Umlage abzuschaffen und durch ein marktwirtschaftliches Modell ersetzen, das auf einem europäischen und nationalen CO2-Preis basiert?

Wir wollen den Strompreis für Endkunden senken, indem wir die Förderung erneuerbarer Energien zu wesentlichen Teilen über den Bundeshaushalt statt über die EEG-Umlage finanzieren und die Stromsteuer für private Verbraucher senken.

Bald kommt ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz. Werden Sie sich für eine „sunset clause“ einsetzen, um einzelstaatliche Regelungen zugunsten einer europäisch harmonisierten Regelung abzuschaffen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für deutsche Handelsunternehmen sicherzustellen?

Wir fordern ein Lieferkettengesetz, das seinen Namen verdient. Alle Unternehmen müssen verpflichtet werden, entlang ihrer gesamten Wertschöpfungsketten Menschenrechtsverletzung, Kinderarbeit und Umweltzerstörung auszuschließen. Das beinhaltet eine wirksame Haftungsregel, um die Rechte von Betroffenen zu stärken und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Möglichkeit der gewerkschaftlichen Organisierung muss Teil des Gesetzes werden.

Innenstädte

Infolge der Digitalisierung sind unsere Innenstädte grundlegenden Veränderungen unterworfen. Damit sie auch künftig lebenswert sind, muss das Nebeneinander unterschiedlicher Stadtakteure wieder möglich sein. Wie werden Sie die funktionale Durchmischung der Innenstädte stärken?

Wir wollen den Kommunen Investitionsmittel zur Verfügung stellen, damit in Solardächer, energieeffiziente Gebäude und bezahlbares Wohnen, in bezahlbare Mobilität, Kultur und in attraktive Innenstädte investiert wird. So können wir innerstädtische Kahlschläge als Folge des Lockdowns verhindern – und zugleich die Weichen für die Zukunft stellen. Der Bund muss außerdem dafür sorgen, dass Länder und Kommunen rechtssicher Mietendeckel für Kleingewerbe, Handwerk, kulturelle Einrichtungen sowie für soziale und gemeinnützige Träger einführen können.

Digitalisierung

Viele kleine und mittelständische Handelsunternehmen sind in Folge des Lockdowns finanziell ausgezehrt und können notwendige Investitionen, etwa in die Digitalisierung, nicht aus eigener Kraft stemmen. Wie werden Sie den Handel dabei unterstützen, den Strukturwandel zu bewältigen?

Entscheidend für den Handel ist und bleibt, dass breite Schichten der Bevölkerung gute Einkommensperspektiven haben. Das heißt: bessere Löhne, höherer Mindestlohn und gute Renten. Wichtig ist aber auch der politische Kurs der Bundesregierung. Auf die „Pandemie-Schulden“ der öffentlichen Hand mit einem „harten Spar-Kurs“ zu reagieren, wäre deshalb völlig falsch und nicht im Interesse des Handels. DIE LINKE fordert den Breitbandausbau mit Investitionen von 10 Milliarden Euro jährlich in ganz Deutschland. Wir wollen ein einheitliches Mobilfunknetz aus einer Hand, das eine Abdeckung der gesamten Fläche sichert. Die Konkurrenz der Anbieter führt zu unnötigen Mehrfachstrukturen und an vielen Stellen zu gar keinem Netz.

Wettbewerb

Deutschland verfügt bereits über ein im europäischen Vergleich hohes Verbraucherschutzniveau, das für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Konsumenten und der Wirtschaft sorgt. Halten Sie vor diesem Hintergrund weitere Regulierungen zum Schutz der Verbraucher für erforderlich?

Wir stimmen nicht mit der These überein, dass Deutschland im europäischen Vergleich ein hohes Verbraucherschutzniveau aufweist. In vielen Bereichen ist eher das Gegenteil der Fall wie zum Beispiel die Befristung der Mängelgewährleistungsfrist auf 2 Jahre und Beweislastumkehr auf 1 Jahr, obwohl das Europarecht längere Fristen zulässt, die in anderen EU-Ländern bereits üblich sind. Auch der „Hygiene-Smiley“, mit dem die Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle verbraucherfreundlich veröffentlicht werden und der sich neben Dänemark in vielen EU-Staaten etabliert hat, wird hier noch immer erfolgreich verhindert. Vor diesem Hintergrund hält DIE LINKE weitere Regulierungen zum Schutz der Verbraucher:innen für notwendig, wie zum Beispiel im Bereich der Rechtsdurchsetzung, beim nachhaltigen Konsum und Verbot der Firmenwerbung in Schulen und Kitas. Wir setzen auf verbindliche staatliche Vorgaben statt freiwilliger Selbstverpflichtungen, denn nur so ist effektiver Verbraucherschutz möglich.

Beschäftigung

Die deutsche Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell und hat sich auch in Krisenzeiten bewährt. Dennoch hat der Gesetzgeber zuletzt immer stärker in die Tarifautonomie eingegriffen. Wie werden Sie die Gestaltungsfreiheit für die Sozialpartner fördern und die Tarifautonomie stärken?

Wir sehen vorrangig Handlungsbedarf mit Blick auf die sinkende Tarifbindung: 2020 arbeiteten nur noch 43 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit einem Branchentarifvertrag. Die LINKE macht sich deshalb dafür stark, dass der Staat geeignete Rahmenbedingungen setzt, um diesen Trend umzukehren. Dafür fordern wir, prekäre Beschäftigung zurückzudrängen, die Allgemeinverbindlich-Erklärung von Tarifverträgen zu erleichtern und über ein Tariftreuegesetz auf Bundesebene sicherzustellen, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden sollen, die Tariflöhne zahlen. Außerdem muss Tarifflucht erschwert werden, indem OT-Mitgliedschaften im Arbeitgeberverband verboten und die kollektive Fortgeltung von Tarifverträgen bei Umwandlungen und Betriebsübergängen sichergestellt werden.