Digitalsteuer - Bargeld muss bezahlbar bleiben

So sieht es aus

Bargeld kostet Geld

Bargeld ist nach wie vor das bedeutendste Zahlungsmittel im stationären Handel. Der Umgang mit Bargeld, das sogenannte Bargeldhandling ist sowohl bei großen Filialisten als auch bei KMU ein wichtiger Geschäftsprozess und mit entsprechenden Aufwänden verbunden. Die Logistik wird bei den kleinen und mittleren Händlern hauptsächlich über regionale Bankfilialen mit entsprechendem Angebot (Einzahlungsmöglichkeit und Angebot von Münzrollen) abgewickelt. Größere und filialisierte Unternehmen stützen sich auf Wertdienstleiser, die sie mit Wechselgeld versorgen und die Bareinnahmen zur Einzahlung auf das Konto bringen. Ein Verzicht auf Bargeldakzeptanz ist nach heutigem Stand nicht möglich.

HDE Grafik zu den Anteilen Kartenzahlungen im Handel 2020. 72 Prozent Girocard, 15 Prozent Kreditkarten, 10 Prozent EC Lastschrift, 2 Prozent Maestro/ VPay, 1 Prozent Handelskarten.

Die Herausforderung

Weniger Bargeld und steigende Kosten

Seit Jahren ist der Trend zur Kartenzahlung zu beobachten, der im Zuge der Corona-Krise deutlich verstärkt wurde. Inzwischen werden nur noch 41 Prozent des Umsatzes bar abgewickelt (EHI-Studie für 2020. Vergleich 2015=53,4%). Das politische Umfeld ist Bargeld gegenüber eher negativ geprägt, verschärfte Geldwäscheregelungen, Bargeldobergrenzen, Abschaffung des 500-Euro-Schein, Münzprüfverordnung bringen Bargeld ein Negativimage. Das wirtschaftliche Umfeld bringt zunehmende Herausforderungen. Bankfilialschließungen, steigende Bearbeitungskosten, Konzentration auf unbare Zahlarten legen nahe, dass Banken sich von Bargeld verabschieden wollen.

Zeit zum Handeln

Wir brauchen eine Bargeldstrategie

Der Handel braucht Planungssicherheit über die weitere Entwicklung des Bargelds. Daher sollte eine intensive gesellschaftliche Diskussion darüber geführt werden, wie viel Bargeld in Zukunft nötig ist und wer die Lasten hierfür trägt. Die Bundesregierung sollte eine Bargeldstrategie erstellen und die Richtlinien sowie Maßnahmen zum Erhalt eines effizienten Bargeldkreislaufes aufzeigen. Technologische Weiterentwicklungen wie die Automatisierung im Bargeldbereich sollten gefördert werden. Dabei kann der Handel weitere Dienstleistungen wie die Bargeldauszahlung am POS übernehmen. Entsprechende Rahmenbedingungen zur Förderung der Effizienz im Bargeldhandling sollten gesetzt werden, z.B. könnte der sogenannte kleine Bargeldkreislauf vereinfacht werden, bei dem sich zwei Marktakteure gegenseitig unterstützen. Die Bundesbank sollte alle Optionen zur Effizienzsteigerung prüfen. Dabei kann auch eine Entscheidung getroffen werden, wieder mehr Aufgaben selbst zu übernehmen. Eine Verpflichtung zur Akzeptanz von Bargeld im Handel ist nicht zielführend und kann zu hohen Kosten ohne Nutzen führen. Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig: Wo muss Bargeld weiterhin als Korrektiv oder Kriseninstrument agieren, wo wird es verzichtbar?

Ulrich Binnebößel
Zahlungsverkehr und Logistik
E-Mail: binneboessel@hde.de


Digitalsteuer - Gebühren für Kartenzahlungen beschränken

So sieht es aus

Die europäische Regulierung der Kartengebühren

Ende 2015 ist die Regulierung zu Interbankenentgelten in Kraft getreten. Damit wurden Höchstgrenzen für die sogenannten Interbankenentgelte von Verbraucherkarten eingeführt.
Interbankenentgelte werden zwischen der Bank des Kunden und der Bank des Händlers erhoben. Die Händlerbank gibt diese Gebühr 1:1 an den Händler weiter. Interbankenentgelte sind nur ein Bestandteil der Kosten des Händlers bei der Akzeptanz von Kredit- und Debitkarten. Weitere Bestandteile sind Scheme Fees (Gebühren des Kartensystems) und Acquirer-Entgelte
(Kosten der Händlerbank). Der Händler muss alle diese Kosten in den Endpreis einkalkulieren, einen speziellen Aufpreis darf er in den meisten Fällen nicht erheben. Die Kosten für die Kartenzahlung tragen also alle Verbraucher.

HDE Grafik zu der Entwicklung der Scheme Fees in den Jahren 2015 und 2020. Visa verzeichnet ein plus von 67 Prozent, Mastercard ein Plus von 6 Prozent.

Die Herausforderung

Die Kosten für Kartenzahlung steigen

Im Rahmen einer Reviews der sogenannten MIF-Regulierung hatte die Kommission im vergangenen Jahr einen Bericht erstellt, der die Wirksamkeit der Verordnung feststellt. Weiterer Regelungsbedarf wird zunächst nicht gesehen. Auch der HDE erkennt zwar die Erfolge der Regulierung an, Ausdruck ist insbesondere das Wachstum von Akzeptanzstellen.
Unerwünschter Nebeneffekt der Regulierung ist allerdings das Entstehen von Preisspielräumen für die bislang nicht regulierten Kostenbestandteile Scheme Fees und Acquirer-Entgelt. Insbesondere die Scheme Fees sind in den letzten Jahren gestiegen. Die marktführenden Kreditkartensysteme Mastercard und Visa haben neue Gebührenarten geschaffen und bestehende Gebühren erhöht.

Zeit zum Handeln

Die Verordnung muss nachgebessert werden

Eine Studie von CMSPI zeigt die Entwicklung auf. Danach hat die Regulierung den deutschen Händlern jährlich 484 Millionen Euro eingespart. 125,7 Mio. Euro wurden allerdings aufgrund von Gebührenerhöhungen bereits wieder aufgezehrt. Dabei lässt sich für den LEH bereits feststellen, dass die durch die Regulierung erfolgte Absenkung der MIF inzwischen beinahe durch den Anstieg der Scheme Fees kompensiert wird.

Die MIF-Verordnung sollte überarbeitet werden und auf die Scheme Fees ausgedehnt werden. Inzwischen können Händler nicht mehr über die Akzeptanz der Kartensysteme entscheiden – sie wird vom Kunden vorausgesetzt.

Daher ist für eine wettbewerbliche Betrachtung die Gesamtkostenbelastung der Akzeptanzseite ausschlaggebend, alle Kostenbestandteile sollten daher reguliert werden.

Zudem sollten die Ausnahmen für Firmenkarten gestrichen werden. Für den Kartenakzeptanten ist es unerheblich, ob es ein gewerblicher Kauf ist oder ein privater Kauf. Ohnehin ist eine Überprüfung des Einsatzes einer Firmenkarte (dienstlicher oder privater Kauf) regelmäßig nicht möglich.

Auch das Surcharging-Verbot ist zu hinterfragen. Wenn eine Kostenweitergabe nicht individuell möglich ist, kann auch für den Kostenverursacher/dem Karteninhaber kein Anreiz zu kostensparendem Verhalten gegeben werden. Im Gegenteil wird dieser durch Incentives der Kartensysteme ermutigt. Entstehende Kosten trägt damit auch der Barzahler.

Weitere Infos zur HDE-Position unter https://einzelhandel.de/11760

Ulrich Binnebößel
Zahlungsverkehr und Logistik
E-Mail: binneboessel@hde.de


Digitalsteuer - Instant Payment

So sieht es aus

Die Grundlagen für Echtzeitzahlungen

Mit Instant Payment (IP) wird eine Transaktion von Konto zu Konto innerhalb von Sekunden beschrieben, bei der der Zahlungsempfänger sofort über den Betrag verfügen kann. Der SEPA Standard SCTInst steht für SEPA Credit Transfer Instant und beschreibt die technische Umsetzung. Dabei handelt es sich um einen europäischen Standard zur Abwicklung von Überweisungen, der auf der SEPA-Überweisung basiert.

Sowohl die Europäische Zentralbank EZB als auch das European Payment Council EPC sowie die EU-Kommission unterstützen die breite Einführung (IP als „new normal“).

HDE Grafik zum Instant Payment. Zwei Hände halten zwei Mobiltelefone.

Die Herausforderung

Zusatzgebühren bremsen den neuen Standard aus

Die Umsetzung des Standards ist bislang freiwillig, zwar unterstützen in Europa und Deutschland viele Banken den Standard. Zur Etablierung eines europaweiten Überweisungsverfahrens fehlt allerdings die volle Verfügbarkeit.
Insbesondere die aktive Teilnahme (SCTInst-Auslösung) ist ausbaufähig.
Die Nutzung durch den Zahler wird sehr oft besonders bepreist. Preise von 25 Cent pro Überweisung sind nicht selten. Im Vergleich zur ‚normalen‘ SPEA-Überweisung, deren Kosten meist pauschal in den Kontoführungsgebühren enthalten sind, bleibt für IP nur die Rolle des Nischenproduktes. Eng verbunden mit einer breiten Nutzung in allen Geschäftsvorfällen ist die bequeme Zahlungsauslösung.
Entsprechende Produkte mit praktikabler Authentifizierung z.B. am POS werden von Banken nicht angeboten. Die Nutzung durch dritte Parteien (Zahlungsauslösedienstleister) ist nach wie vor komplex (Stichwort Open Banking).

Zeit zum Handeln

Die Echtzeit-Ökonomie wartet auf Echtzeitzahlungen

IP sollte zum „New Normal“ werden und damit den Kundenerwartungen in einer Echtzeitwelt gerecht werden. Im Zug-um-Zug-Geschäft, kann IP eine für beide Parteien sichere und sofortige Abwicklung darstellen.

IP bietet zudem die Möglichkeit, etablierte Zahlungsverfahren auf die Echtzeit-Infrastruktur zu überführen oder neue Zahlungsformen zu entwickeln, die sich der vorhandenen Echtzeit-Infrastruktur bedienen.

Der HDE hat gemeinsam mit GS1 Germany ein Denkmodell vorgelegt, das eine offene Zahlungsinfrastruktur auf SCTInst-Basis beschreibt und auch den POS-Bereich abdeckt (Arbeitstitel HIPPOS).

Für eine breite Verwendung müssen folgende Rahmenbedingungen festgeschrieben werden:

  • Alle kontoführenden Banken müssen verpflichtend SCTInst passiv und aktiv unterstützen
  • Verbot einer besonderen Bepreisung der SCTInst-Transaktion. Die Kosten müssen analog bisheriger Transaktionsgebühren in den Kontoführungsgebühren einkalkuliert werden
  • Entwicklung eines Open-Banking-Ansatzes zur Initiierung und Abwicklung einer SCTInst-Transaktion

Der europäische „Request to Pay-Ansatz“ kann zu einer Förderung von IP beitragen. Allerdings sind auch hier die Fragen nach einer kostengünstigen Anwendung für Zahler und Zahlungsempfänger und die Erreichbarkeit für Dritte Dienstleister sowie die praktikable Abwicklung in allen Kaufsituationen (online/POS) zu stellen.

Die Integration einer SCTInst-Abwicklung innerhalb eines Produktes kann sinnvoll sein, stellt aber noch keine Antwort auf die Forderung nach einem New Normal dar. Beispiel: die Umstellung der girocard-Transaktionen von einer technischen SEPA-Lastschrift SDD auf eine technische SEPAInst kann die Effizienz steigern, ist aber nicht per se mit einer breiten (offenen) Verfügbarkeit des Standards verbunden. Die Echtzeit-Ökonomie wartet auf Echtzeitzahlungen.

Ulrich Binnebößel
Zahlungsverkehr und Logistik
E-Mail: binneboessel@hde.de


Digitalsteuer - Wir brauchen den digitalen Euro

So sieht es aus

Digitale Währungen sind auf dem Vormarsch

Bitcoins und anderes Kryptogeld haben sich bislang als Zahlungsmittel nicht durchsetzen können. Nicht zuletzt die Ankündigungen des Diem-Konsortiums (ehemals Libra) zeigen aber, dass eine bestimmte Form von digitalem Bargeld durchaus auf Nachfrage stoßen könnte. Stable Coins wie DIEM sind Krypto-Zahlungsmittel, die im Unterschied zu Bitcoins auf der Einlage realer Werte beruht. Damit wird es auch im Handel als Zahlungsmittel interessant, denn es unterliegt damit nicht mehr den Wertschwankungen, die häufig durch Spekulationen ausgelöst wurden.
Allerdings sind diese privat geschaffenen Währungen immer einer bestimmten Regulatorik unterlegen, die nicht von Staaten, sondern von privaten Organisationen geschaffen wurden. Damit ist immer ein bestimmtes Risiko verbunden.

Bild zum digitalen Euro. Ein weiß leuchtendes Eurozeichen auf blauer Fläche und eine Hand, die dabei ist ihn anzutippen.

Die Herausforderung

Europa muss mithalten können

Amerikanische Big-Tech-Unternehmen sind im Begriff, sich in die Zahlungsprozesse einzuklinken. Ihnen geht es neben dem Erzielen von Erträgen insbesondere um die Datengewinnung. Der Handel gerät daher zunehmend in Gefahr, den direkten Kontakt zum Kunden zu verlieren, globale Akteure übernehmen diese „Gatekeeper“-Funktion. Dabei sind die Informationen aus Bezahlprozessen besonders begehrt.

Um den Entwicklungen der verstärkten Einflussnahme der Akteure in der digitalen Welt etwas entgegensetzen zu können, sollte die Politik tätig werden. Sowohl Handel als auch Verbrauchern sollten Mittel an die Hand gegeben werden, mit denen sie weitgehend außerhalb der Einflussbereiche der Big-Techs agieren können. Daher ist es notwendig, die Möglichkeiten der Einführung eines digitalen Euros zu erforschen.

Zeit zum Handeln

Der digitale Euro wird gebraucht

Um auf Augenhöhe mit den künftigen Anbietern von Krypto-Geld zu kommen, brauchen wir den digitalen Euro. Die Europäische Zentralbank muss sich daher schnell entscheiden und die Schaffung des digitalen Euro vorantreiben. Eine Abwägung, ob der eEuro gebraucht wird, hat der Markt bereits übernommen.

Der eEuro kann die Anforderungen von Bargeld mit den Möglichkeiten des digitalen Handelns vereinen. Im Unterschied zu etablierten unbaren Verfahren und den neuen Initiativen wie Diem oder Bitcoin kann eine staatliche digitale Währung mehr Unabhängigkeit von zentralen Systembetreibern wie den Kreditkartenorganisationen und Bitcoin- bzw. Stable coin-basierten Anbietern bieten und Effizienzvorteile bringen. Für Handel und Verbraucher ist es wichtig, ein Geschäft sicher, effizient und datensparsam auf Basis einer stabilen Währung abzuschließen. Dazu kann der digitale Euro beitragen.

Mit der Herausgabe von staatlich reguliertem digitalen Geld könnten sich erhebliche positive Effekte ergeben: Mehr Transaktionen und Käufe führen unmittelbar zu positiven volkswirtschaftlichen Einkommenseffekten. Die Abhängigkeit von globalen Zahlungssystemen wird verringert. Umfangreiche Abfragen personenbezogener Daten im Vorfeld einer Zahlungstransaktion können entfallen. Das Eurosystem hat mit der Ausgabe digitaler Euro eine marktgetriebene statt eine nur gesetzlich erzwungene Chance, die Geldwirtschaft aktiv in der eigenen Hand zu behalten.

Daher ist eine Neubewertung der Frage notwendig, ob eine europäische staatliche digitale Währung auf Basis des stabilen Euros eingeführt werden soll. Die Verbände sehen in einem digitalen Euro wesentliche Vorteile, um eine effiziente Zahlungsabwicklung auch in zunehmend digitaler Umgebung zu erhalten ohne dem Einfluss internationaler privater Akteure zu unterliegen.

Ulrich Binnebößel
Zahlungsverkehr und Logistik
E-Mail: binneboessel@hde.de


Digitalsteuer - Smart Retail - wertebasierte Innovation ermöglichen

So sieht es aus

Ethische Richtlinien für Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) ist bei weitem kein Phänomen der Science Fiction mehr: Der kommerzielle Einsatz von KI zeichnet sich deutlich ab und wird weiter rapide voranschreiten. Ein vielversprechendes Anwendungsfeld für KI-Technologien ist der Einzelhandel – sowohl der Online-Handel als auch der stationäre Handel. Die EU-Kommission legte basierend auf dem EU-Weißbuch zur KI einen Verordnungsvorschlag vor. Der europäische Ansatz zielt darauf ab, einzelne KI-Technologien zu verbieten und ausgewählte hochriskante Systeme nur nach Überprüfung im EU-Binnenmarkt zuzulassen. Der Großteil der KI-Anwendungen muss laut Kommissionsentwurf lediglich Transparenz- und Kennzeichnungsanforderungen erfüllen. Auch im Bund werden unterschiedliche Regulierungsoptionen für KI diskutiert.

HDE Grafik zu den Stadien von KI Projekten im Einzelhandel.

Die Herausforderung

Innovationen fördern, Fortschritt ermöglichen

Der HDE sieht die Gefahr, dass fehlerhaft programmierte oder anhand verzerrender Daten trainierte KI-Systeme eine diskriminierende und stigmatisierende Wirkung entfalten können und begrüßt die Auseinandersetzung der europäischen und bundespolitischen Gremien mit dem Thema. Gleichzeitig bewegen wir uns in einem wettbewerblichen Spannungsfeld und müssen dem Innovationsraum Europa einen Freiraum für technologische Entwicklungen und wirtschaftliches Wachstum bieten, anstatt Fortschritt unbegründet zu erschweren. Innovationen sind zu fördern, Geschäftsgeheimnisse auch in der digitalen Welt zu schützen – das sichert langfristig das wirtschaftliche Wachstum und den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand.

Zeit zum Handeln

Die Balance zwischen Innovation und Schutz finden

Was in der analogen Wirtschaft mit menschlichen Entscheidungen gilt, sollte auch in der digitalen Wirtschaft bei datenbasierten Entscheidungen mitgedacht werden. Deshalb ist der HDE überzeugt, dass es keiner gesonderten, neuen KI-Gesetzgebung bedarf, sondern der bestehende Rechtsrahmen, wie das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) oder die EU-Produkthaftungsrichtlinie Verbraucher hinreichend schützt. Existierende Vorschriften wie Diskriminierungsverbote oder Haftungsregeln sollten sorgfältig überprüft und bei nachgewiesenem Bedarf gezielt
an die von KI-Systemen ausgelöste Entwicklung angepasst werden.
Genauso wie es grob fahrlässig ist, die Erfolge von Algorithmen im kommerziellen Bereich einfach so auf andere Problemfelder wie das Handeln von Menschen zu übertragen, ist es innovationshemmend und deplatziert, aus Regulatorik für sensible gesellschaftliche Vorgänge auf einfache Empfehlungsalgorithmen und Mustererkennung zu schließen. Personalisierte Produktempfehlungen, Sonderangebote und Rabatte berücksichtigen individuelle Wünsche und Bedürfnisse der Kunden und können so relevante Angebote ausspielen. Dies ist ein Mehrwert für Verbraucher, den wir in der Unübersichtlichkeit und Menge an Informationen des Internets schätzen und schützen sollten. Der HDE begrüßt deshalb das Risikobewertungsschema der EU für KI und automatisierte Entscheidungsfindung sowie einen gemeinsamen, risikobasierten EU-Ansatz, um die Vorteile dieser Prozesse zu sichern und die Risiken in der gesamten EU zu mindern. Intelligente Anwendungen sind eine Chance für den Handel, sowohl online als auch stationär mit Tech am Point of Sale zu überzeugen. Künstliche Intelligenz generiert Erkenntnisse durch Mustererkennung auf Basis großer Datenmengen (Big Data) und selbst erlernter Algorithmen (Stichwort: Maschinelles Lernen). Mit zunehmender Menge an Trainingsdaten steigt die Genauigkeit der Schlussfolgerungen und Prognosen. Wichtig ist neben der hierfür nötigen Datenmenge auch die ausreichende Datenqualität, mit der KI-Systeme trainiert werden. Um Künstliche Intelligenz zu nutzen und insbesondere weiterzuentwickeln, muss Datenökonomie im europäischen Raum gelebt werden. Datenschutz ist ein hohes Gut, was es für Verbraucher und Händler in der EU zu bewahren gilt. Dieser europäische Datenschutz muss jedoch in sich größtmöglich kohärent sein und ein berechtigtes Interesse des Händlers zulassen.

Dara Kossok-Spieß
Referentin Netzpolitik und Digitalisierung
E-Mail: kossok-spiess@hde.de

Was sagen die Händler?

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Digitalsteuer - Mittelstand erhalten, Digitalisierung ermöglichen

So sieht es aus

Der stationäre Mittelstand in der Krise

Die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung trafen den Handel hart. Die Ladenschließungen 2020 ruinierten die absatzstärksten Monate des Jahres. Stationäre Kaufleute mussten die schwerste Last tragen. Knapp zwei Drittel der Innenstadthändler sehen ihre Existenz in Gefahr, denn im Jahr 2020 verlor der Handel über 36 Milliarden Euro. Betroffen sind 50.000 Geschäfte mit über 250.000 Mitarbeitern. Wie keine Krise zuvor, zeigt uns Corona die Dringlichkeit der Digitalisierung des deutschen mittelständischen Handels. Die Herausforderung ist jedoch, dass viele mittelständische Händler mitten in der Corona-Krise nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, ihr Geschäft zukunftsfest zu machen.

Die Herausforderung

Digitalisierung als Erfolgstreiber ermöglichen

Kaufleute ohne digitale Vertriebswege mussten die ganze Last des Lockdowns tragen. Präsenz im Internet und auf Online-Marktplätzen hätten insbesondere im Mittelstand die Umsatzeinbrüche abfedern können. Vor allem im Handel sind die Möglichkeiten der Digitalisierung entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells. Die Digitalisierung eröffnet mannigfaltige Möglichkeiten wie Onlineshops, Onlinemarktplätze, Social-Media-Plattformen, Verkäufe über Mobilgeräte und spezielle Apps. Bislang nutzen nur die Hälfte der Händler diese Vertriebswege. In dieser prekären Lage mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln können die notwendigen Investitionen in die Digitalisierung aktuell vielerorts nicht gestemmt werden. Deshalb ist hier Unterstützung dringend notwendig.

Zeit zum Handeln

100 Millionen Euro für einen digitalisierten Handel

Der HDE fordert die Politik auf, ihre Überlegungen zur Digitalisierung des innerstädtischen Einzelhandels aus den vergangenen Jahren mit Leben zu füllen und einen Digitalisierungsfonds für den Einzelhandel in Höhe von 100 Millionen Euro aufzulegen. Dabei soll es um einen dreistufigen Prozess gehen.

In einer ersten Stufe wird das bereits bestehende Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Handel, das der HDE im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums als Konsortialführer leitet, weiterhin flächendeckend über die Chancen der Digitalisierung im Einzelhandel informieren. Mit Veranstaltungen, Webinaren und einem Digital-Mobil arbeitet das Kompetenzzentrum seit zwei Jahren daran, den Handelsunternehmen die digitalen Möglichkeiten aufzuzeigen.
In einer zweiten Stufe stellt sich der HDE nun Berater vor, die in den individuellen Einzelfällen geeignete und wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen zur Digitalisierung identifizieren. Dass dieser Ansatz erfolgreich ist, zeigen die Digitalisierungscoaches, wie sie in NRW bereits in die Praxis umgesetzt wurden. Auch das könnte unter dem Dach des bewährten Kompetenzzentrums stattfinden.

Am Ende soll dann über Förderanträge die Finanzierung entsprechender Digitalisierungsmaßnahmen ermöglicht werden. In dieser prekären Lage mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln können die notwendigen Investitionen in die Digitalisierung aktuell vielerorts nicht gestemmt werden. Deshalb ist hier Unterstützung dringend notwendig. Damit der Mittelstand in unseren Innenstädten in dieser Krise nicht unverschuldet den Anschluss verliert, braucht es ein staatliches Förderprogramm. Ansonsten drohen verödete Stadtzentren.

Insgesamt hat das Digitalisierungsprogramm des HDE ein Volumen von 100 Millionen Euro.
Wir müssen jetzt handeln und eine Investition in die Schlüsselbranche der Innenstädte tätigen. Lebendige Stadtzentren sind ein gesamtgesellschaftlicher Wert.

Dara Kossok-Spieß
Referentin Netzpolitik und Digitalisierung
E-Mail: kossok-spiess@hde.de

Was sagen die Händler?

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Digitalsteuer - Klare Regeln für Plattformen

So sieht es aus

Weitreichende Neuregelungen für Plattformen

Die Europäische Kommission hat mit dem Digital Services Act (DSA) eine Revision der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG und eine weitreichende Neuregelung der Anforderungen an Plattformen vorgeschlagen. Dabei geht es um die Freiheit, digitale Dienste im gesamten EU-Binnenmarkt gemäß den Regeln des Niederlassungsortes anzubieten sowie um eine weitgehende Haftungsbeschränkung für von Nutzern geschaffene Inhalte. Aufbauend auf diesen Prinzipien möchte die Kommission klarere Regeln bezüglich der Pflichten von Online-Vermittlern, einschließlich der in der EU tätigen Nicht-EU-Vermittler, sowie ein effektiveres Governance-System schaffen.

Die Herausforderung

Internationale Plattformen in die Pflicht nehmen

Deutsche und europäische Plattformen befinden sich im internationalen Wettbewerb. Chinesische Akteure, wie z. B. Shein und AliExpress sowie Plattformen wie Wish, wachsen mit großer Geschwindigkeit in Europa. Gesetze zu Steuern, Zoll sowie Produktsicherheit, Umwelt, Verpackungen und Abfall können diesen gegenüber nicht in gleichem Maße wie gegenüber europäischen Anbietern durchgesetzt werden, weshalb sie erhebliche Wettbewerbsvorteile genießen. Gleichzeitig gibt es Bedenken hinsichtlich des Missbrauchs von Online- Dienstleistern zur Verbreitung schädlicher Inhalte und Produkte im Internet.

Zeit zum Handeln

Starke europäische Einzelhandels-Ökosysteme

Die zukünftige Bundesregierung wird im EU-Ministerrat den EU-Rechtsakt über digitale Dienste (Digital Services Act) mitverhandeln. In diesem Zusammenhang empfehlen wir aus Sicht des Handels, das bestehende „Notice and Take Down“-Verfahren europaweit zu harmonisieren und den derzeit in den Mitgliedstaaten bestehenden Flickenteppich von Vorschriften zu beseitigen. Dementsprechend unterstützt der HDE die Absicht, die E-Commerce-Richtlinie in eine Verordnung umzuwandeln, um einen gemeinsamen Mindeststandard für die Verantwortung der Plattformbetreiber zu schaffen, wobei die Grundprinzipien der E-Commerce-Richtlinie beibehalten werden sollten. Dabei gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten: Wie sorgfältig müssen Plattformen ihre gewerblichen Nutzer identifizieren? Welche Möglichkeiten müssen Plattformen anbieten, damit Verbraucher/Behörden/Organisationen/etc. auf illegale Inhalte und Waren hinweisen können? Wie schnell, umfassend und sorgfältig müssen Plattformen reagieren, wenn sie einen Hinweis erhalten haben? Wenn wir an diesen Stellschrauben drehen, müssen wir allerdings immer darauf achten, eine angemessene Balance und einen Ausgleich der Interessen zwischen Betreibern von Online-Marktplätzen und deren gewerblichen Nutzern zu finden. Wenn die Hürden für den Verkauf über Online-Marktplätze zu hoch gesetzt werden, schadet dies am Ende auch den gewerblichen Nutzern (und zwar auch jenen, die jetzt bereits die Vorschriften einhalten).

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, müssen die überarbeiteten Rechtsvorschriften zudem auch für Anbieter mit Sitz in Ländern außerhalb der EU gelten, wenn diese ihre Dienstleistungen im Binnenmarkt anbieten, und effektiv gegenüber diesen Akteuren durchgesetzt werden können. Ergänzend fordert der HDE eine bessere Kontrolle der Warensendungen aus Drittstaaten an einzelne Verbraucher durch den Zoll. Unabhängig des Umstandes, ob Händler aus Drittstaaten bei Lagerung und Versand ihrer Waren Leistungen von europäischen Fulfillment-Dienstleistern in Anspruch nehmen, muss die Ware bei Einführung aus Drittstaaten durch den Zoll begutachtet werden. Unseres Erachtens sollten dafür die Kapazitäten erhöht werden. Wir müssen den neuen rechtlichen Rahmen insgesamt so gestalten, dass europäische Unternehmen dennoch die Möglichkeit haben, internationale Vorreiter der Daten- und Plattform-Wirtschaft zu werden.

Dara Kossok-Spieß
Referentin Netzpolitik und Digitalisierung
E-Mail: kossok-spiess@hde.de


Wettbewerb - Freier Handel im EU-Binnenmarkt!

So sieht es aus

Der Binnenmarkt trägt die europäische Integration

Der EU-Binnenmarkt ist die Grundvoraussetzung für die europäische wirtschaftliche Integration. Die Verbraucher profitieren durch zunehmenden Wettbewerb von niedrigeren Preisen und einer größeren Auswahl an Produkten. Sichere, vorhersehbare Rahmenbedingungen in allen Mitgliedstaaten und klare Vorgaben sind zentrale Charakteristika des europäischen Binnenmarktes und sind für den Einzelhandel von zentraler Bedeutung. In einem funktionierenden europäischen Binnenmarkt muss sichergestellt werden, dass zwischen den Unternehmen ein fairer Wettbewerb herrscht. So kann der steigende Konkurrenzdruck einen positiven Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und positive Effekte für die Verbraucher haben.

HDE Grafik zu Handelshemmnisse im Binnenmarkt abbauen in den Visegrad Staaten und im Rest der EU.

Die Herausforderung

Diskriminierende Regeln behindern den Warenverkehr

Viele EU-Mitgliedstaaten – besonders aus Mittel- und Osteuropa- verfolgen eine protektionistische Politik gegenüber europäischen Handelsketten. Die Folge ist eine Reihe von handelskritischen Gesetzen. Abweichende, nationale, diskriminierende oder warenspezifische Vorschriften stehen jedoch im Widerspruch zu den Grundprinzipien des Binnenmarktes. Stellen die Hindernisse sich als zu zahlreich und belastend heraus, wird ein Händler sich über kurz oder lang dazu entscheiden, in einem bestimmten Land nicht tätig zu sein, was den grenzüberschreitenden Handel stark behindert. Viele Gesetze ähneln sich in ihrer Ausrichtung und sind ein Zeichen dafür, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um politisch motivierte Diskriminierungen und ein weit verbreitetes Phänomen handelt.

Zeit zum Handeln

Abbau der Handelsschranken im EU-Binnenmarkt

In diesem Zusammenhang erwarten wir von der zukünftigen Bundesregierung, dass sie die gewachsene Partnerschaft und den engen Austausch mit dem HDE fortsetzt und den Abbau bestehender regulatorischer Marktbarrieren im Binnenmarkt weiter konsequent vorantreibt. Vertragsverletzungs- und Beihilfeverfahren haben sich hier in der Vergangenheit als ein geeignetes Mittel erwiesen, ebenso die Bemühungen der Bundesregierung und des Bundeswirtschaftsministeriums, auf bilateraler Ebene im Dialog mit den anderen EU-Mitgliedstaaten zu treten. Letztlich sollte auch das bestehende EU-Notifizierungsverfahren für Dienstleistungen vor diesem Hintergrund weiter gestärkt werden.

Fabian Fechner
Stellvertretender Leiter – Büro Brüssel
E-Mail: fechner.europa@hde.de


Nachhaltigkeit - Globale Lieferketten fair gestalten!

So sieht es aus

Sorgfaltspflichten werden europäsch geregelt

Für das Frühjahr 2022 wird ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission für eine Gesetzgebung zur Sorgfalts-und Rechenschaftspflicht von Unternehmen (Due Diligence Directive and Sustainable Corporate Governance) erwartet. In Deutschland existiert bereits eine Regelung zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten: Große Unternehmen müssen ab 2023 und ab 2024 in Deutschland ihren menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten nachkommen. Der zuständige EU-Justizkommissar Didier Reynders hat deutlich gemacht, sektorübergreifende Regeln vorzuschlagen, die Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren globalen Lieferketten verpflichten sollen. Einbeziehen will die EU-Kommission zudem alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, die ihre Produkte im Binnenmarkt verkaufen. Ein klares politisches Signal für ein europäisches Lieferkettengesetz kommt auch vom Europäischen Parlament. In gleicher Weise sind sich die EU-Mitgliedstaaten einig, dass ein europäischer Rechtsrahmen unternehmerische Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten regeln soll.

HDE Grafik zum Ländervergleich der Sorgfaltspflichtenregelungen in den USA, in UK, in den Niederlanden, in der Schweiz, in Kalifornien, in Frankreich, in Österreich und in Australien. Und EU Konfliktmineralien Verordnung, EU CSR Berichtspflichten Richtlinie, EU Holzhandels - Verordnung.

Die Herausforderung

Ein Lieferkettengesetz muss umsetzbar sein!

Europa muss seiner Verantwortung und seinem globalen Einfluss gerecht werden, aber unternehmerische Sorgfaltspflichten müssen umsetzbar sein und den Unternehmen Rechtssicherheit geben. Eine europäische Lösung ist gegenüber nationalen Lösungen zu bevorzugen, um Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Binnenmarkt zu verhindern. Entsprechende Regelungen müssen dabei die Komplexität von Lieferketten berücksichtigen und dürfen keine unrealistischen Forderungen an die Nachverfolgung von Lieferungen auf mehreren Stufen entlang der Wertschöpfungskette stellen. Alle Unternehmen, egal welcher Größe, rechenschafts-und haftungspflichtig gegenüber jeglichen Beziehungen in ihren Wertschöpfungsketten zu machen, ist nicht sinnvoll. Gerade klein- und mittelständische Unternehmen brauchen spezielle regulatorische Rahmenbedingungen.

Zeit zum Handeln

Wir brauchen ein europäisches Level-Playing Field!

Um die systembedingten Herausforderungen in Bezug auf die Menschenrechte wirksam anzugehen und um eine Wirkung in den Produktionsländern zu erzielen, bedarf es eines einheitlichen internationalen Regelwerks, das allen Akteuren in den globalen Lieferketten zugutekommt. Eine europäische Regulierung zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht kann ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg hin zu einer internationalen Lösung sein. Dabei sollte sich eine solche Regulierung zwingend auf die menschenrechtlichen Aspekte fokussieren, so wie es die UN-Leitprinzipien formulieren.

Wenn es das Ziel ist, die menschenrechtliche Situation entlang globaler Lieferketten wirklich nachhaltig zu verbessern, sind flankierende politische Maßnahmen unerlässlich, um z. B. das Ziel menschenwürdiger Arbeit durchzusetzen. Die Adressaten von Menschenrechten sind Staaten bzw. ihre staatlichen Institutionen vor Ort. Die internationale Gemeinschaft darf daher in ihren Anstrengungen nicht nachlassen, die Menschenrechte in der dortigen Arbeitswelt einzufordern und durchzusetzen. Eine Stärkung der internationalen und multilateralen Zusammenarbeit, gerade auch im Zuge einer intensiveren Entwicklungszusammenarbeit, ist zentral, denn 80 % der Arbeitnehmer vor Ort sind überhaupt nicht in globale Lieferketten integriert. Eine europäische Regulierung sollte den Fokus auf die Priorisierung von Risiken (risikobasierter Ansatz) und die Wirkungsorientierung von Maßnahmen legen: Unternehmen sollten Managementsysteme, Implementierungsprogramme und Kooperationen erarbeiten, die langfristige und vor allem nachhaltige Verbesserungen der Produktionsbedingungen vor Ort initiieren und diese kontinuierlich weiterentwickeln. Dabei spielt der soziale Dialog eine zentrale Rolle, in Deutschland und Europa sowie in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Der Dialog kann sozialpartnerschaftliche Strukturen stärken, Vertrauen und eine gemeinsame Grundlage der Zusammenarbeit schaffen. Mit einer marktkonformen, mindestens europaweiten Regelung entsteht das nötige Level-Playing Field, das verbindliche und faire Rahmenbedingungen und gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen für alle (europäischen sowie außereuropäischen) Marktteilnehmer schafft. Am geeignetsten in Form einer EU-Verordnung oder zumindest im Prinzip der Vollharmonisierung, um einen Flickenteppich verschiedener, nationaler Umsetzungsgesetze der EU-Mitgliedstaaten zu vermeiden.

Anne-Kathrin Göbel
Abteilungsleiterin Corporate Social Responsibility
E-Mail: goebel@hde.de

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Neustart - Wer bezahlt die Krise

So sieht es aus

Die Corona-Pandemie belastet den Staatshaushalt

Die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19 Pandemie hat die öffentlichen Haushalte ins Defizit gestürzt: Allein der Finanzplan des Bundes sieht für die Jahre 2020 bis 2022 eine Nettokreditaufnahme von 470 Milliarden Euro vor. Auch der Schuldenstand wird wieder deutlich über 2 Billionen Euro ansteigen. Einigkeit besteht darüber, dass sowohl die Defizite als auch die Verschuldung wieder abgebaut werden sollen. Strittig ist aber, was der beste Weg dafür ist: Wirtschaftswachstum oder Steuererhöhungen. Beides zugleich wird sich kaum verwirklichen lassen. Denn höhere Steuern wirken sich dämpfend auf das Wirtschaftswachstum aus. Es bedarf deshalb einer klaren Strategie, wie die öffentlichen Haushalte wieder ins Gleichgewicht kommen.

Die Herausforderung

Gesunde Staatsfinanzen und Wirtschaftswachstum

Der Einzelhandel braucht Konsumenten mit Kaufkraft und Unternehmen, die investieren können und Arbeitsplätze schaffen. Steuererhöhungen sind schädlich für beides. Dabei ist es unerheblich, ob die Steuern auf den Verbrauch – vor allem die Mehrwertsteuer – oder das Einkommen – vor allem Einkommen- und Körperschaftsteuer – erhöht werden. Eine höhere Mehrwertsteuer senkt die private Nachfrage durch Preiserhöhungen unmittelbar, ebenso eine höhere Einkommensteuer auf Löhne und Gehälter. Höhere Steuern für Unternehmen senken deren Gewinne und die Möglichkeit zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Die Folge ist letztendlich wiederum eine niedrigere Konsumnachfrage.

Zeit zum Handeln

Wachstumspolitik ist die beste Konsolidierungspolitik

Wir alle zahlen automatisch mehr Steuern, wenn wir mehr verdienen oder die Geschäfte besser laufen – bei der progressiven Einkommensteuer sogar überproportional mehr. Langfristig steigen die Steuereinnahmen mit dem Wirtschaftswachstum, d.h. genauso schnell wie das Bruttoinlandsprodukt. Das bedeutet ein Plus von 35 bis 40 Milliarden Euro bei einem Prozent Wirtschaftswachstum. Laut dem Stabilitätsprogramm der Bundesregierung wird die Abgabenquote auch ohne Steuererhöhungen bis 2025 auf 42 3/4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Dies sind rund 2 Prozentpunkte mehr als 2021. Mit den daraus resultierenden Mehreinnahmen lässt sich das staatliche Defizit bis 2025 vollständig abbauen. Auch die Staatsverschuldung lässt sich bis dahin mit 69 1/4 Prozent wieder auf das Niveau von 2020 zurückführen. Dies sind zwar rund 10 Prozentpunkte mehr als vor Ausbruch der Pandemie, allerdings war die Quote bis 2010 durch die Finanzkrise auf 82,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Ab dem Jahr 2013 konnte sie dann – auch ohne die damals oft geforderten Steuererhöhungen – kontinuierlich reduziert werden. Dieses Beispiel zeigt, dass staatliche Eingriffe nicht immer die beste Lösung sind.

Entgegen vieler Meinungen ist das aktuelle Steuersystem auch gerecht. Allein das obere Prozent der Einkommensbezieher zahlt 2021 gut 22 Prozent der Einkommensteuer, die oberen 10 Prozent sogar über 55 Prozent. Die unteren 50 Prozent der Einkommensbezieher zahlen dagegen nur 6 Prozent der Steuer. D.h. starke Schultern tragen auch heute schon deutlich mehr als schwache. Auch die Steuerzahlungen der gewerblichen Unternehmen haben zwischen den Krisen, d.h. von 2010 bis 2019, durchschnittlich um 6 Prozent pro Jahr zugenommen. Dies ist nahezu eine doppelt so hohe Zuwachsrate wie die des nominalen Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 3,3 Prozent im gleichen Zeitraum.

Der HDE fordert die Politik deshalb auf, die nach der Finanzkrise erfolgreiche Konsolidierungsstrategie zu wiederholen und auf Steuererhöhungen zu verzichten. Alle Haushalte und Unternehmen profitieren von den staatlichen Krisenbekämpfungsmaßnahmen – die einen als Zahlungsempfänger direkt, die anderen indirekt, weil die Rezession abgeschwächt wird, die Geschäfte besser laufen und Arbeitslosigkeit vermieden wird. Deshalb sollten auch alle in dem Maße, in dem sie nach der Krise Einkommen erzielen, Gewinne machen oder Waren und Dienstleistungen nachfragen, zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte beitragen. Sonderlasten wären nicht hilfreich. Sie behindern zum einen die wirtschaftliche Entwicklung und treffen zum anderen oftmals gar nicht die gemeinte Zielgruppe. So kann z.B. eine Digitalsteuer vom Marktplatzbetreiber durch Preiserhöhungen leicht auf Einzelhändler, die sich über den Marktplatz eine digitale Präsenz aufbauen wollen, überwälzt werden.

Ralph Brügelmann
Abteilungsleiter Steuern und Finanzen
E-Mail: bruegelmann@hde.de