Innovativ Handeln - Bargeld

So sieht es aus

Bargeld wird gebraucht

Zwar ist seit Jahren ein Trend zur Kartenzahlung zu beobachten. Inzwischen werden nur noch 35,5 % des Umsatzes bar abgewickelt (EHI-Zahlen für 2023. Im Vergleich dazu waren es im Jahr 2015 noch 53,4 %). Bargeld bleibt jedoch auf Sicht nach wie vor ein bedeutendes Zahlungsmittel im Handel.

Vielfältige Bargeldlogistik: Das Bargeldhandling ist sowohl bei großen Filialisten als auch im Mittelstand ein wichtiger Geschäftsprozess und mit entsprechenden Aufwänden verbunden. Die Ver- und Entsorgung bei kleineren Betrieben wird hauptsächlich über regionale Bankfilialen sichergestellt (Einzahlungsmöglichkeit und Angebot von Münzrollen). Filialisierte Unternehmen stützen sich i.d.R. auf Wertdienstleiser, die sie mit Wechselgeld versorgen und Bareinnahmen zur Einzahlung bringen.

Ein Verzicht auf die Akzeptanz von Bargeld ist nach heutigem Stand nicht möglich und auch nicht gewollt. Verbraucher wollen nach wie vor mit Bargeld bezahlen. Zudem gelten Noten und Münzen als Korrektiv zur steigenden Marktdominaz unbarer Zahlungsarten.

Jedoch ist ein starker Anstieg der Handlingskosten für Bargeld zu beobachten. Banken bauen ihre Dienstleistungen ab, Wertdienstleister konsolidieren sich und erhöhen Preise. Sinkende Nachfrage und steigende Kosten können dazu führen, dass das Bargeldsystem kippt, erste Unternehmen könnten auf die Akzeptanz verzichten.

Die Herausforderung

Sicherung einer effizienten Bargeldlogistik

Das politische Umfeld ist Bargeld gegenüber eher negativ geprägt: verschärfte Geldwäscheregelungen, Bargeldobergrenzen, Abschaffung des 500-Euro-Schein, Münzprüfverordnung bringen Bargeld ein Negativimage. Das wirtschaftliche Umfeld bringt zunehmende Herausforderungen. Bankfilialschließungen, steigende Bearbeitungskosten, Konzentration auf unbare Zahlarten legen nahe, dass Banken sich von Bargeld verabschieden wollen. Konsolidierungen bei Wertdienstleistern führen zu Wettbewerbseinschränkungen.

Zeit zum Handeln

Bargeld zukunftsfähig machen

Der Handel braucht Planungssicherheit über die weitere Entwicklung des Bargelds. Daher sollte eine intensive gesellschaftliche Diskussion darüber geführt werden, wieviel Bargeld in Zukunft nötig ist und wer die Lasten hierfür trägt. Ein nachfrageorientiertes Bargeldangebot muss das Ziel sein. Eine Bargeldakzeptanz ohne wenn und aber an jedem Ort führt an der Realität vorbei.

Technologische Weiterentwicklungen und Automatisierung im Bargeldbereich sollten gefördert werden. Tresorlösungen und gemeinschaftliche Nutzung von Angeboten für den Mittelstand sollten geprüft und politisch unterstützt werden. Dazu sollten entsprechende Rahmenbedingungen zur Förderung der Effizienz im Bargeldhandling gesetzt werden.
Es gilt allerdings zu beachten, dass der Handel nur beschränkt bankenähnliche Dienstleistungen wie die Bargeldauszahlung am POS übernehmen kann. Die Kreditwirtschaft selbst darf daher nicht aus Ihrer Verantwortung als Teil des Bargeldkreislaufes entlassen werden.

Die Bundesbank sollte Optionen zur Effizienzsteigerung prüfen. Dabei kann auch eine Entscheidung getroffen werden, wieder mehr Aufgaben selbst zu übernehmen (z.B. Angebot loser Münzen).

Eine Verpflichtung zur unbedingten Akzeptanz von Bargeld im Handel ist nicht zielführend und kann zu hohen Kosten ohne entsprechenden Nutzen führen. Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig: Wo muss Bargeld weiterhin als Korrektiv oder Kriseninstrument agieren, wo wird es möglicherweise verzichtbar? Entsprechende Ausnahmen von einer erwarteten europäischen Regulierung zur Akzeptanzpflicht müssen definiert werden.

Ulrich Binnebößel
Abteilungsleiter Zahlungsverkehr
E-Mail: binneboessel@hde.de


Europa - Verpackungen

So sieht es aus

Viele neue Maßnahmen zur (sinnvollen) Verpackungsvermeidung

Mit der EU-Verpackungsverordnung (PPWR) wird Anfang 2025, aller Voraussicht nach, ein umfassendes Regelwerk für Verpackungen und Verpackungsabfälle in Kraft treten. Durch die neuen Vorgaben müssen viele nationale Maßnahmen angepasst und ambitionierter gestaltet werden. So gibt die EU-Verpackungsverordnung neue Regelungen im Bereich der Verpackungsgestaltung oder des Einsatzes von Reyzklat vor. Auch wird es neue Verbote bestimmter Verpackungsformate geben und neue Vorgaben zur Kennzeichnung, etwa im Bereich des Einwegpfandsystems. Viele Vorgaben aus der PPWR unterliegen einem ambitionierten Zeithorizont und müssen teilweise noch über delegierte Rechtsakte, Durchführungsrechtsakte oder Leitlinien genauer ausgestaltet werden. An einigen Stellen, z. B. bei den Vorgaben für nationale Quoten im Bereich des Verpackungsmüllaufkommens, sind die Mitgliedsstaaten zudem dazu angehalten, Maßnahmen einzuführen, die über die Regelungen der neuen Verordnung hinausgehen.

Neben den neuen Regeln aus der EU-Verpackungsverordnung gibt es auch auf nationaler Ebene noch Regelungsvorhaben, die dem Ziel der Verpackungsvermeidung unterstellt sind. Relevant sind hier vor allem die Novellierung des § 21 Verpackungsgesetz mit Vorgaben zum recyclinggerechten Design von Verpackungen und die Überlegungen zu einer weiteren Abgabe/Steuer auf Einwegplastik.

Die Herausforderung

Abgestimmte Gesetzgebung auf allen politischen Ebenen

Viele Maßnahmen aus der EU-Verpackungsverordnung müssen noch spezifiziert werden, bevor Unternehmen mit der rechtskonformen Umsetzung beginnen können. Zugleich ist an einigen Stellen jedoch schnelles Handeln geboten, da diverse Regelungen an Zielvorgaben gekoppelt sind, die von den beteiligten Wirtschaftsakteuren eine schnelle Umsetzung verlangen. In Verbindung mit den nationalen Vorhaben wie der Neugestaltung von § 21 VerpackG ist unbedingt darauf zu achten, dass die geplanten Maßnahmen sinnvoll und aufeinander abgestimmt ausgearbeitet und implementiert werden.

Zeit zum Handeln

Praxisnahe Implementierung und Ausgestaltung der Maßnahmen

Um Produkte noch nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten, ist der Einzelhandel bestrebt, nach harmonisierten und möglichst standardisierten Lösungen zu suchen, die aus wirtschaftlicher und funktioneller Sicht Sinn ergeben. Eine zeitnahe Umsetzung der neuen Maßnahmen aus der EU-Verpackungsverordnung ist daher für den Handel von oberster Priorität. Die angekündigten delegierten Rechtsakte (allen voran der Rechtsakt zur Korrektur der Mehrwegziele von Transportverpackungen), Durchführungsverordnungen und Leitlinien sollten daher unter Beteiligung betroffener Stakeholder so schnell wie möglich erarbeitet werden.

Die EU-Verpackungsverordnung deckt ein sehr breites Spektrum an Maßnahmen ab. Im Sinne einer EU-weiten Harmonisierung und einheitlichen Umsetzung plädiert der HDE dafür, dass sich die Wirkung der neuen Maßnahmen nun zunächst entfalten muss und die angestrebten Ziele zur Verringerung der Verpackungsabfälle auf diesem Weg erreicht werden.

Auf nationaler Ebene sollten alle angedachten Maßnahmen zur Novellierung des Verpackungsgesetzes und weitere Maßnahmen darüber hinaus auf Vereinbarkeit mit den europäischen Gesetzen geprüft und geplant werden. Eine Novellierung des § 21 VerpackG sollte dabei zügig und bestenfalls im Rahmen einer Anpassung an die PPWR erfolgen. Der Handel unterstützt dieses Vorhaben ausdrücklich und plädiert für eine privatrechtliche Lösung. Im Hinblick auf Überlegungen zu Plastiksteuern oder kommunalen Lösungen für Verpackungssteuern sollte auf eine praxisnahe und faire Umsetzung hingewirkt werden. Eine Besteuerung von Plastikverpackungen zusätzlich zu den bereits zu leistenden Abgaben durch die Entgelte an die Dualen Systeme und die ab 2025 geltende Einwegkunststoffabgabe würde eine weitere Belastung für ein und dieselbe Verpackungsart bedeuten. Derartige Mehrfachbelastungen sind nicht angebracht und könnten zu Preiserhöhungen führen. Etwaige kommunale Abgaben auf ebensolche Produkte, bei denen die Kommunen selbst über Höhe und Ausgestaltung der Steuern bestimmen könnten, hätte einen Flickenteppich von Regelungen zur Folge, die in der Praxis für die Unternehmen erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten bedeutet.

Der Handel spricht sich hier klar für aufeinander abgestimmte Regelungen aus, die alle politischen Ebenen und Maßnahmen berücksichtigt.

Stefanie Stadie
Referentin Umwelt
E-Mail: stadie@hde.de


Standort stärken - CSDDD

So sieht es aus

Wettbewerbsnachteile in globalen Lieferketten beseitigen

Der Handel steht in globalen Lieferketten aufgrund geopolitischer Konflikte, einer schwächelnden Wirtschaft und den Folgen des Klimawandels vor großen Herausforderungen. Dabei ist die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten in Lieferketten weltweit für deutsche Handelsunternehmen eine Selbstverständlichkeit.

Gleichzeitig verpflichtet die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) Handelsunternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten entlang ihrer globalen Lieferketten. Die europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) erhöht die Anforderungen europäischer Unternehmen in der Erhebung von Daten für umfassende Berichte.

Aktuell erschweren jedoch sich überschneidende und teilweise widersprüchliche Berichtsanforderungen und Datenabfragen aus dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) und der europäischen Lieferkettenrichtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) eine im Sinne der Ökologie und Ökonomie vernünftige Umsetzung dieser Sorgfalts- und Berichtspflichten.

Die Herausforderung

Unsicherheiten in Haftungsfragen und dem Anwendungsbereich

Der ohnehin enorme Erfüllungsaufwand für Unternehmen in den stetig wachsenden Sorgfalts- und Berichtspflichten wird durch zu spät veröffentlichte Handreichungen sowie durch politische Neujustierungen in der Auslegung und Umsetzung der Gesetze zusätzlich vergrößert. Vermeintlich „bürokratiearme Lösungen“ schmelzen mit Blick auf die Vielzahl der zu implementierende Gesetze dahin. Zahlreiche Datenpunkte binden personelle und finanzielle Ressourcen in Unternehmen, ohne gesichert einen wirksamen Effekt für mehr Nachhaltigkeit zu entfachen.

Zeit zum Handeln

Mehr Resilienz durch vernünftige und faire Rechtsgrundlagen

Die fehlende Kohärenz in den europäischen Richtlinien und aktuell geltenden deutschen Gesetzen überfordern Unternehmen in einer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Phase. Wegen der schwelenden Rechtsunsicherheit droht zudem ein Rückzug europäischer Unternehmen aus Wertschöpfungsketten, die von außereuropäischen Konkurrenten mit geringeren Standards ausgefüllt werden können.

Mit teilweise mehr als 30.000 direkten Lieferanten haben die Lieferketten vieler Einzelhandelsunternehmen ein enormes Maß an Komplexität erreicht. Schon jetzt sind die Kapazitäten in den Unternehmen knapp, die für die Erfüllung der umfangreichen Prozessänderungen benötigt werden. Handelsunternehmen können nicht die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Lieferketten durchsetzen.

Wir begrüßen, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie CSDDD 1:1 und so bürokratiearm wie möglich umgesetzt und die Pflichten zum spätesten Zeitpunkt verbindlich werden sollen. Die angekündigte Ersetzungsbefugnis bei den Berichtspflichten und die Schaffung von Freiräumen in der Übergangszeit können zu Entlastungen führen. Entscheidend ist, dass im deutschen Umsetzungsgesetz tatsächlich ein „level playing field“ festgeschrieben wird und nur jene Unternehmen in den Anwendungsbereich fallen, die auch in den anderen europäischen Mitgliedsstaaten betroffen sind. Die angedachte Angleichung des LkSG-Anwendungsbereichs auf die CSDDD wäre hierfür ein notwendiger Schritt.

In Aussicht gestellte Unterstützungsangebote für eine bürokratiearme und ressourcenschonende Anwendung der Gesetze müssen jedoch früh- und rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, damit eine fristgerechte Implementierung gewährleistet ist. Der Handel braucht Zeit, um die neuen Anforderungen für ein nachhaltiges Management seiner Lieferketten rechtssicher umzusetzen und Kapazitäten für langfristige sowie nachhaltige Lieferkettenprojekte bereitzuhalten. Es ist sicherzustellen, dass durch klare Definitionen von unbestimmten Rechtsbegriffen sowie durch frühzeitige Veröffentlichung eindeutiger Leitlinien Rechtssicherheit geschaffen wird. Was Unternehmen jetzt brauchen sind nicht noch komplexere Berichts- und Sorgfaltspflichten, sondern verlässliche Rechtsgrundlagen, auf die sie sich langfristig verlassen können, um ihre Lieferketten resilienter aufzustellen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Jelena Nikolić
Leiterin CSR-/Nachhaltigkeitspolitik
E-Mail: nikolic@hde.de


Europa - CSDDD

So sieht es aus

Wettbewerbsnachteile in globalen Lieferketten beseitigen

Der Handel steht in globalen Lieferketten aufgrund geopolitischer Konflikte, einer schwächelnden Wirtschaft und den Folgen des Klimawandels vor großen Herausforderungen. Dabei ist die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten in Lieferketten weltweit für deutsche Handelsunternehmen eine Selbstverständlichkeit.

Gleichzeitig verpflichtet die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) Handelsunternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten entlang ihrer globalen Lieferketten. Die europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) erhöht die Anforderungen europäischer Unternehmen in der Erhebung von Daten für umfassende Berichte.

Aktuell erschweren jedoch sich überschneidende und teilweise widersprüchliche Berichtsanforderungen und Datenabfragen aus dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) und der europäischen Lieferkettenrichtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) eine im Sinne der Ökologie und Ökonomie vernünftige Umsetzung dieser Sorgfalts- und Berichtspflichten.

Die Herausforderung

Unsicherheiten in Haftungsfragen und dem Anwendungsbereich

Der ohnehin enorme Erfüllungsaufwand für Unternehmen in den stetig wachsenden Sorgfalts- und Berichtspflichten wird durch zu spät veröffentlichte Handreichungen sowie durch politische Neujustierungen in der Auslegung und Umsetzung der Gesetze zusätzlich vergrößert. Vermeintlich „bürokratiearme Lösungen“ schmelzen mit Blick auf die Vielzahl der zu implementierende Gesetze dahin. Zahlreiche Datenpunkte binden personelle und finanzielle Ressourcen in Unternehmen, ohne gesichert einen wirksamen Effekt für mehr Nachhaltigkeit zu entfachen.

Zeit zum Handeln

Mehr Resilienz durch vernünftige und faire Rechtsgrundlagen

Die fehlende Kohärenz in den europäischen Richtlinien und aktuell geltenden deutschen Gesetzen überfordern Unternehmen in einer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Phase. Wegen der schwelenden Rechtsunsicherheit droht zudem ein Rückzug europäischer Unternehmen aus Wertschöpfungsketten, die von außereuropäischen Konkurrenten mit geringeren Standards ausgefüllt werden können.

Mit teilweise mehr als 30.000 direkten Lieferanten haben die Lieferketten vieler Einzelhandelsunternehmen ein enormes Maß an Komplexität erreicht. Schon jetzt sind die Kapazitäten in den Unternehmen knapp, die für die Erfüllung der umfangreichen Prozessänderungen benötigt werden. Handelsunternehmen können nicht die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Lieferketten durchsetzen.

Wir begrüßen, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie CSDDD 1:1 und so bürokratiearm wie möglich umgesetzt und die Pflichten zum spätesten Zeitpunkt verbindlich werden sollen. Die angekündigte Ersetzungsbefugnis bei den Berichtspflichten und die Schaffung von Freiräumen in der Übergangszeit können zu Entlastungen führen. Entscheidend ist, dass im deutschen Umsetzungsgesetz tatsächlich ein „level playing field“ festgeschrieben wird und nur jene Unternehmen in den Anwendungsbereich fallen, die auch in den anderen europäischen Mitgliedsstaaten betroffen sind. Die angedachte Angleichung des LkSG-Anwendungsbereichs auf die CSDDD wäre hierfür ein notwendiger Schritt.

In Aussicht gestellte Unterstützungsangebote für eine bürokratiearme und ressourcenschonende Anwendung der Gesetze müssen jedoch früh- und rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, damit eine fristgerechte Implementierung gewährleistet ist. Der Handel braucht Zeit, um die neuen Anforderungen für ein nachhaltiges Management seiner Lieferketten rechtssicher umzusetzen und Kapazitäten für langfristige sowie nachhaltige Lieferkettenprojekte bereitzuhalten. Es ist sicherzustellen, dass durch klare Definitionen von unbestimmten Rechtsbegriffen sowie durch frühzeitige Veröffentlichung eindeutiger Leitlinien Rechtssicherheit geschaffen wird. Was Unternehmen jetzt brauchen sind nicht noch komplexere Berichts- und Sorgfaltspflichten, sondern verlässliche Rechtsgrundlagen, auf die sie sich langfristig verlassen können, um ihre Lieferketten resilienter aufzustellen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Jelena Nikolić
Leiterin CSR-/Nachhaltigkeitspolitik
E-Mail: nikolic@hde.de


Fachkräfte - Krankenstand

So sieht es aus

Hoher Krankenstand belastet die Arbeitgeber stark

Diverse große Krankenkassen berichten derzeit über einen Rekordkrankenstand im Mitgliederbestand für das Jahr 2024, der die Arbeitgeber zusätzlich finanziell belastet. Die Höhe der Entgeltfortzahlung beträgt in Deutschland 100 Prozent des Arbeitsentgelts für die Dauer von sechs Wochen. 1996 hatte die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf 80 Prozent reduziert. Nach der Bundestagswahl 1998 wurde diese damals öffentlich äußerst umstrittene Regelung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von der SPD-geführten Bundesregierung von Gerhard Schröder umgehend rückgängig gemacht. Seit Dezember 2023 ist für gesetzlich Versicherte eine telefonische Krankschreibung bei leichten Erkrankungen für maximal 5 Arbeitstage möglich, zumindest sofern die Patientinnen und Patienten in der Arztpraxis bekannt sind. Darüber hinaus wird über die Einführung einer Teilzeit-Krankschreibung, bei der eine Krankschreibung auch nur für wenige Stunden am Tag möglich sein soll, debattiert. Ärztepräsident Reinhardt hatte dies medial angestoßen. Seit 1. Januar 2023 ist zudem das Meldeverfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) auch für Arbeitgeber verpflichtend. Arbeitgeber müssen die eAU ihrer Beschäftigten bei der jeweiligen Krankenkasse abfragen (sog. Pull-Verfahren). Beschäftigte sind aber weiterhin dazu verpflichtet, ihre Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden.

Die Herausforderung

Verantwortungsbewusstsein schärfen

Deutschland leistet sich aktuell eines der weltweit großzügigsten Systeme der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Selbst Schweden hat aktuell eine weniger großzügige Regelung. Der hohe Krankenstand kostet die Arbeitgeber in Deutschland aktuell sehr viel zusätzliches Geld, zudem leidet die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland unter diesen Zusatzkosten. Die Frage ist, ob Deutschland sich in wirtschaftlich schlechten Zeiten und vor dem Hintergrund der immer noch weiter ansteigenden Lohnnebenkosten eine solche Regelung leisten kann, ohne damit weiter Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Zeit zum Handeln

Telefonische Krankschreibung abschaffen, eAU entbürokratisieren

Die telefonische Krankschreibung muss wieder abgeschafft werden, sie erleichtert eine Krankmeldung für Beschäftigte in zu hohem Maße. Seit Einführung der unbefristeten telefonischen Krankschreibung Anfang 2024 sind die Krankschreibungen statistisch stark angestiegen. Auch wenn der Grund dafür weiterhin umstritten ist, wäre auszuprobieren, ob die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung wieder zu einem Rückgang der aktuell hohen Anzahl an Krankschreibungen führt. Hinzu kommt, dass ein Arztbesuch auch dazu dient, mögliche sonstige Erkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren.

Auch eine Teilzeitkrankschreibung ist aus Sicht des HDE strikt abzulehnen. Eine Teilzeitkrankschreibung würde die Hürde für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zusätzlich weiter reduzieren. Eine solche Signalwirkung ist aktuell nicht angemessen. Hinzu kommt, dass sich viele Tätigkeiten, wie beispielsweise im Einzelhandel, oft gar nicht im Homeoffice erledigen lassen. Folge wäre also auch ein erhöhtes Infektionsrisiko im Betrieb, was einen hohen Krankenstand zusätzlich fördern würde.

Im Rahmen der eAU müsste das „Pull-Verfahren“ bei den Krankenkassen in ein unbürokratisches „Push-Verfahren“ überführt werden. Die Krankenkassen müssten den Arbeitgebern das Vorliegen der eAU proaktiv mitteilen. Das würde den Umgang in der Praxis erleichtern und wäre schnell umzusetzen.

Einige Studien meinen einen Zusammenhang zwischen der Großzügigkeit der Lohnfortzahlung und der Zahl der Fehltage in einem Land erkannt zu haben, andere Studien ziehen dies jedoch in Zweifel, so dass keine belastbare statistische Evidenz für diese Annahme besteht. Die großzügige gesetzliche Regelung hierzulande zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wäre aber zumindest im Falle einer fortgesetzt schlechten wirtschaftlichen Entwicklung auf Angemessenheit zu überprüfen. Zu bedenken ist aber, dass heute in vielen Großbranchen tarifliche Regelungen bestehen, die eine 100 Prozent Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorsehen. Eine Gesetzesänderung würde daher zumindest im Bereich der Tarifbindung aber auch wegen der Inbezugnahme von Tarifverträgen in Arbeitsverträgen ohne Kostenerleichterung bleiben.

Steven Haarke
Geschäftsführer Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik
E-Mail: haarke@hde.de


Innovativ Handeln - Mittelstand erhalten, Digitalisierung ermöglichen

So sieht es aus

Plattformökonomie: Wachstumsmotor mit Herausforderungen

Digitale Plattformen fördern Innovationen und eröffnen neue Marktchancen. Der rasante Aufstieg neuer E-Commerce-Plattformen hat die globale Handelslandschaft in den letzten Jahren nicht nur vorübergehend verändert, sondern eine langfristige Transformation angestoßen, die sich auch in Deutschland und Europa bemerkbar macht. Drittstaatenhändler bringen mit Social Commerce und Direct-to-Consumer-Vertriebswegen neue Handelspraktiken ein. Hierbei stechen vor allem die beiden Plattformen SHEIN und Temu mit Verbindungen nach China hervor. In Zahlen bedeutet das: 400.000 Pakete pro Tag von Shein und Temu nach Deutschland (siehe Drittstaatenstudie von ibi research und HDE). Die Bundesnetzagentur hat für das Jahr 2023 allerdings nur die Prüfung von rund 5.000 Warensendungen gemeldet. Von den geprüften Sendungen erhielten demnach 92 Prozent keine Freigabe.

Es ist unerlässlich, dass alle Marktteilnehmer, unabhängig von ihrem Ursprungsland, die gleichen hohen Standards der Europäischen Union einhalten. Dies betrifft insbesondere Produktsicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass viele Anbieter aus Drittstaaten, insbesondere aus dem asiatischen Raum, diese Standards häufig nicht erfüllen. Ein Beispiel hierfür ist der Direktverkauf chinesischer Anbieter über Apps, Online- Shops und Social Media an Endkonsumenten im EU-Binnenmarkt. Laut Branchenexperten werden hierüber allein nach Deutschland über 100 Millionen Pakete pro Jahr versandt, Tendenz steigend.

Die Herausforderung

Regeln bestehen, werden aber oft umgangen

In den vergangenen Jahren sind die Pflichten für Einzelhändler mit Sitz in der EU kontinuierlich und in großem Umfang erhöht worden. An die Bereitstellung von Produkten in der EU werden mit dem Ziel der weiteren Erhöhung des Verbraucherschutzes sowie des Umwelt- und Ressourcenschutzes immer höhere Anforderungen gestellt. Gleichzeitig beobachten wir mit großer Sorge, dass der Binnenmarkt, u.a. über die genannten Plattformen, mit Produkten überschwemmt wird, die diese Anforderungen zu einem großen Anteil nicht erfüllen und damit den Verbraucherschutz unterlaufen. Es ist deshalb evident, dass es weniger an mehr Regelungen als an deren konsequenter Durchsetzung mangelt.

Zeit zum Handeln

Wettbewerb schützen, Regulierungen durchsetzen

Auf Ebene der Europäischen Union: Benennung eines verantwortlichen Wirtschaftsakteurs in der EU

Es bedarf einer gesetzlichen Verpflichtung zur Benennung eines in der EU niedergelassenen verantwortlichen Wirtschaftsakteurs mit klar definierten Anforderungen hinsichtlich seiner Eignung zur Erfüllung der Aufgaben. Zollunion priorisieren: Die Beschleunigung der Reform des EU-Zollkodex ist langfristig die entscheidende Stellschraube, um den wachsenden Herausforderungen des internationalen Handels wirksam begegnen zu können. Das für den vollständigen Abschluss der Arbeiten vorgesehene Jahr 2034 ist zu spät. Die Modernisierung der Zollvorschriften sind entscheidend, um die EU-Zollbehörden zu entlasten, die Effizienz der Zollkontrollen zu erhöhen, Produktsicherheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards in der EU einzuhalten und Manipulationen, wie etwa Unterdeklarationen, konsequenter zu verhindern.

Auf Bundesebene: 150 Euro Zollfreigrenze abschaffen

Angesichts der systematischen Unterdeklarierung von Waren aus Drittstaaten fordert der HDE die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro. Diese Regelung trägt erheblich zu Gestaltung bei und beeinträchtigt faire Wettbewerbsbedingungen in der EU. Die Freigrenze wird systematisch ausgenutzt, um den Warenwert von Sendungen gezielt unter den Schwellenwert zu deklarieren und so Zollabgaben zu umgehen.

Auf Länderebene: Digitalisierung und Stärkung der Marktüberwachungsbehörden

Das Hauptproblem liegt nicht in fehlenden Vorschriften, sondern in deren unzureichender Umsetzung. Deshalb sind verstärkte Maßnahmen zur Digitalisierung und Stärkung des Zolls erforderlich. Die Marktüberwachungsbehörden benötigen mehr Personal und ganzheitliche sowie moderne digitale Systeme. Die Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer spielen eine Schlüsselrolle bei der Sicherstellung von Produktsicherheit, Verbraucherschutz und fairen Wettbewerbsbedingungen. Deshalb ist es essenziell, dass die Bundesländer ihre Zuständigkeiten in diesem Bereich aktiv wahrnehmen und ihre Marktüberwachungsstrukturen nachhaltig stärken. Die Bundesländer haben hier die Verantwortung und die Möglichkeit, durch personelle und technische Aufstockung ihrer Marktüberwachungsbehörden die Einhaltung der geltenden Vorschriften sicherzustellen. Die Wahrnehmung dieser Kompetenzen ist nicht nur ein entscheidender Beitrag zur Stärkung des Binnenmarktes, sondern auch ein klares Signal, dass die Interessen von Verbrauchern und Händlern in der Region konsequent geschützt werden.

Dara Kossok-Spieß
Referentin Netzpolitik und Digitalisierung
E-Mail: kossok-spiess@hde.de


Innovativ Handeln - Zahlungskosten

So sieht es aus

Dominierende Kredit- und Debitsysteme

Die 2015 in Kraft getretene Regulierung zu Interbankenentgelten hatte das Ziel, ungerechtfertigt hohe Gebühren für Zahlungen der globalen Zahlungssysteme zu beschränken. Höchstgrenzen für die sogenannten Interbankenentgelte von Verbraucherkarten wurden eingeführt.

Interbankenentgelte werden bei Zahlungen mit Kredit- oder Debitkarten zwischen der Bank des Kunden und der Bank des Händlers erhoben und an den Händler weitergereicht. Sie sind damit ein Bestandteil der Kosten des Händlers bei der Akzeptanz von Karten. Weitere Bestandteile sind Scheme Fees (Gebühren des Kartensystems) und Acquirer-Entgelte (Kosten der Händlerbank).

Unerwünschter Nebeneffekt der Regulierung ist das Entstehen von Preisspielräumen für die bislang nicht regulierten Kostenbestandteile Scheme Fees und Acquirer-Entgelt. Insbesondere die Scheme Fees sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die marktführenden Kreditkartensysteme Mastercard und Visa haben neue Gebührenarten geschaffen und bestehende Entgeltarten erhöht. Diese Entgelterhöhungen haben heute in vielen Fällen die erreichten Erfolge der Regulierung bereits überkompensiert, die Kosten für die Unternehmen steigen wieder.

Zusätzlich sind wesentliche Kartenarten nicht gedeckelt (Firmenkreditkarten, sogenannte 3-Parteiensysteme, Karten von Nicht-EU-Herausgebern etc.). Für diese werden nach wie vor hohe und weiter steigende Interbankenentgelte und Systemgebühren fällig und eröffnen den Raum für ungerechtfertigte Preiserhöhungen.

Die Herausforderung

Stärkung europäischer Zahlungsverfahren notwendig

Die Regulierung zu Interbankenentgelten sollte überarbeitet werden. Dabei müssen Wege gefunden werden, wie eine Umgehung der Deckelung eines Gebührenbestandteiles durch Erhöhung eines anderen nicht regulierten Gebührenbestandteiles verhindert werden kann.

Weiterhin sollte sichergestellt werden, dass die globalen Marken gleiche Anforderungen erfüllen sollten, wie die nationalen Verfahren. Nur so kann Wettbewerb gestärkt und Marktchancen für neue Anbieter erhöht werden.

Zeit zum Handeln

Kosten der Zahlungssysteme begrenzen

Die Deckelung der Gebühren sollte auf die Scheme Fees ausgedehnt werden. Inzwischen können Händler nicht mehr über die Akzeptanz der Kartensysteme entscheiden, sie wird vom Kunden vorausgesetzt. Daher ist für eine wettbewerbliche Betrachtung die Gesamtkostenbelastung der Akzeptanzseite ausschlaggebend, alle Kostenbestandteile sollten daher reguliert werden, um die Marktdominanz der globalen Systeme zu begrenzen.

Zudem sollten die Regulierungsausnahmen für Firmenkarten gestrichen werden. Für den Zahlungsempfänger ist es unerheblich, ob es ein gewerblicher Kauf ist oder ein privater Kauf, erhöhte Entgelte sind damit nicht gerechtfertigt. Ohnehin ist eine Überprüfung des Einsatzes einer Firmenkarte (dienstlicher oder privater Kauf) regelmäßig nicht möglich.

Auch das sogenannte Surcharging-Verbot, das Verbot der Weitergabe von tatsächlich anfallenden Kosten für eine Transaktion ist zu hinterfragen. Wenn eine Kostenweitergabe nicht individuell möglich ist, kann auch für den Kostenverursacher/dem Karteninhaber kein Anreiz zu kostensparendem Verhalten gegeben werden. Im Gegenteil wird dieser durch Incentives der Kartensysteme ermutigt. Entstehende Kosten trägt damit auch der Barzahler, denn Kosten werden so auf Endpreise umgelegt.

Schließlich sollten die Debitkarten der internationalen Systeme die gleichen Auflagen erfüllen, wie die deutsche girocard. Dazu gehört zum einen die Ermöglichung von Verhandlungen über die Entgelthöhe (Konzentratorenlösung).

Zudem sollten die Debitkarten eine alternative Abwicklung über ein zweites Verfahren ermöglichen so wie die girocard i.d.R. ein zweites System enthält. Damit wäre ein Wettbewerb auf der Karte möglich, bei dem Karteninhaber und Zahlungsempfänger über das beste Zahlungsmittel einig werden können.

Die Karten sollten außerdem ELV-fähig sein wie die girocard, so dass ein elektronisches Lastschriftverfahren abgewickelt werden kann. Dies ist zudem eine Vorsorge gegen Störungen in der IT-Infrastruktur, da ELV auch offline abgewickelt werden kann.

Ulrich Binnebößel
Abteilungsleiter Zahlungsverkehr
E-Mail: binneboessel@hde.de


Innovativ Handeln - KI

So sieht es aus

Die Grundlage der KI Regulierung

Ziel des AI-Acts ist es, bestimmte Anwendungen von künstlicher Intelligenz (KI) zu verbieten und ausgewählte, Hochrisiko-KI-Technologien nur dann im EU-Binnenmarkt zuzulassen, wenn sie überprüft wurden. Bestimmte KI-Systeme sollen Transparenz- und Dokumentationsanforderungen entsprechen. Auch für KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck werden gesonderte Anforderungen gelten.

KI spielt für den Handel eine große Rolle, vor allem in Logistik- und Transportprozessen sowie in der Produktoptimierung. Sie wird auch immer weiter an Bedeutung gewinnen und hat das Potenzial, die Branche zu revolutionieren.

Der HDE begrüßt es daher, dass es nun eine grundlegende Verordnung im Bereich KI gibt, welche auf Basis eines risikobasierten Ansatzes einen Rahmen für den Einsatz und die Verwendung von KI schafft. Solche Leitplanken sind von großer Wichtigkeit für den gesellschaftlichen Konsens. Es muss allerdings ebenso anerkannt werden, dass der AI-Act ein komplexes und kompliziertes Regulierungswerk darstellt, welches auch das Risiko beinhaltet, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und des europäischen Binnenmarkts zu beeinträchtigen.

Die Herausforderung

Chancen und Risiken des AI-Acts

Es bestehen offene Fragen bei der Auslegung und Anwendung einiger Vorgaben des AI-Acts. Auf europäischer wie nationaler Ebene müssen diese zeitnah geklärt werden. Innerhalb der EU braucht es eine strukturierte Koordinierung und enge Zusammenarbeit der verschiedenen nationalen Behörden.

In Deutschland gilt es sicherzustellen, dass eine einheitliche Auslegung des Rechtstexts stattfindet und nationale Vorschriften mit den Anforderungen des AI-Acts übereinstimmen.

Zeit zum Handeln

Gewährleistung von Rechtssicherheit und Innovationsfreundlichkeit

Die Bundesnetzagentur als angekündigte zentrale Stelle muss sich dafür einsetzen, dass eine einheitliche Auslegung des AI-Acts erfolgt. Es muss vermieden werden, dass in Deutschland durch verschiedene Auslegungen in den Bundesländern ein regulatorischer Flickenteppich entsteht: Keinesfalls dürfen voneinander abweichende Interpretationen der Vorgaben durch Datenschutzstellen entstehen und somit Rechtsunsicherheiten geschaffen werden.

Eine innovationsfreundliche und praktische Umsetzung des Regelungswerks muss gewährleistet werden; der risikobasierte Ansatz darf nicht verloren gehen. Eine unverhältnismäßige Bürokratielast durch die neuen Vorgaben gilt es zu verhindern; diese würde schlussendlich besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) negativ treffen. Um den Innovationsstandort Deutschland nicht zu gefährden, muss somit ein Gleichgewicht zwischen Regulierung und Innovationsfreiheit angestrebt werden.

Zur Förderung der KI-Compliance und einer sicheren Umsetzung der Regelungen in der Praxis sollte die Regierung Programme aufsetzen, um KMUs bei der Implementierung der Vorschriften zu unterstützen.

Auf EU-Ebene ist es von großer Bedeutung, dass sich Deutschland für den Austausch unter den Mitgliedsstaaten einsetzt sowie für eine entsprechende Koordinierung und Zusammenarbeit. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Vorgaben einheitlich und mit einem gemeinsamen Verständnis in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden; dafür muss ein strukturierter und beständiger Austausch von Wissen und Erfahrungen erfolgen. In diesem Sinne sollten sich auch die Vertreter Deutschlands im KI-Gremium zu Beiträgen bezüglich der Erarbeitung der Leitlinien einbringen. Diese müssen zeitnah veröffentlicht werden, um Rechtssicherheit für betroffene Unternehmen zu schaffen.

Durch eine proaktive und wettbewerbs- sowie innovationsfreundliche Umsetzung der Vorgaben besteht für Deutschland die Möglichkeit, die Einhaltung des AI Acts sicherzustellen und zeitgleich zur Förderung von vertrauenswürdiger KI beizutragen. Sollte es geschafft werden, einen einheitlichen, innovationsfreundlichen und praxisnahen Rechtsrahmen umzusetzen, würde dies die Chance bieten, mit dem AI-Act Leitplanken für vertrauenswürdige und qualitativ hochwertige KI in Europa und Deutschland zu setzen. Dafür braucht es vor allem die Vermeidung unnötiger Bürokratie, die Klärung von Rechtsunsicherheiten und eine bessere Unterstützung von Innovationen.

Isabelle Kobinger
Referentin
E-Mail: kobinger.europa@hde.de

Dara Kossok-Spieß
Leitung Netzpolitik und Digitalisierung
E-Mail: kossok-spiess@hde.de


Innovativ Handeln - Instant Payment

So sieht es aus

Das Ziel: Echtzeitzahlungen in einer Echtzeit-Welt

Mit Instant Payment (IP) wird eine Transaktion von Konto zu Konto innerhalb von Sekunden beschrieben, bei der der Zahlungsempfänger sofort über den Betrag verfügen kann. Der SEPA Standard SCTInst steht für SEPA Credit Transfer Instant und beschreibt die technische Umsetzung. Dabei handelt es sich um einen europäischen Standard zur Abwicklung von Überweisungen, der auf der SEPA-Überweisung basiert.

Ab Januar wird die Echtzeitüberweisung schrittweise für alle Banken verpflichtend und eröffnet auch im Handel neue Optionen zur Gestaltung einer effizienten und kostengünstigen Zahlung.

Eng verbunden mit einer breiten Nutzung von Echtzeit-Überweisungen ist die bequeme Zahlungsauslösung in allen Geschäftsvorfällen. Entsprechende Produkte mit praktikabler Authentifizierung z.B. am POS werden von Banken bislang nicht angeboten. Die Nutzung durch dritte Parteien (Zahlungsauslösedienstleister) ist nach wie vor komplex.

Die Herausforderung

Instant Payment als Enabler für Innovationen

Die Verknüpfung von SEPA-Instant Payment mit praktikablen Zahlungsauslösediensten kann es dem Handel ermöglichen, unabhängig von den großen Zahlungssystemen neue und verbindliche Zahlungswege zu eröffnen. Sogenannte Account to Account-Zahlungen von Konto zu Konto können zu innovativen und kostengünstigen direkten Zahlungswegen führen. Dabei werden Intermediäre ersetzt, Daten geschützt und Zahlungen sicher und final abgewickelt.

Zeit zum Handeln

Open Banking und request to pay-Ansätze umsetzen

Eine bankenübergreifend einheitliche und praktikable Open-Banking-Schnittstelle zu jedem Onlinebanking-fähigen Konto ist notwendig. Sie muss von dritten Zahlungsauslösedienstleistern effizient bedient werden können. Damit wird ein offenes Zahlverfahren ohne Markteintrittsbarrieren ermöglicht, in dem sich Dienstleister im Wettbewerb behaupten müssen und Innovationen vorantreiben können. Gleichzeitig findet jede Transaktion am Konto des Zahlers ohne Integration eines Intermediärs mit eigenen Systemregeln statt, was den kontoführenden Banken den Kontakt zu ihren Kunden sichert.

Open Banking ist somit eine notwendige Ergänzung, um eine innovative Abwicklung über Instant Payment zu ermöglichen und kann damit Handel sowie Verbrauchern einen neuen und unabhängigen Zahlungsweg eröffnen.

Der europäische „Request to Pay-Ansatz“ kann zu einer Förderung von Instant Payment beitragen. Allerdings müssten dazu von der Kreditwirtschaft flächendeckend kostengünstige Anwendungen für Zahler und Zahlungsempfänger bereitgestellt werden und die Erreichbarkeit für Dritte Dienstleister sowie die praktikable Abwicklung in allen Kaufsituationen (online/POS) umgesetzt werden. Der SEPA-Standard Request to pay ist bisher freiwillig, eine Umsetzung müsste für alle Banken verpflichtend sein.

Die Integration einer Instant-Payment-Abwicklung innerhalb eines etablierten oder neu geschaffenen europäischen Zahlungssystems kann sinnvoll sein, stellt aber noch keine Antwort auf die Forderung nach einem New Normal dar. Beispiel: die Umsetzung von Instant Payment innerhalb einer Transaktion durch den europäischen Zahlungsdienst wero kann zwar die Effizienz des Systems steigern und ist daher bei entsprechender Berücksichtigung der Anforderungen des Handels zu begrüßen. Es ist aber nicht per se mit einer breiten (offenen) Verfügbarkeit des Standards verbunden, sondern muss als (erste) Nutzung einer Instant Payment-Infrastruktur gesehen werden, die das Potenzial zu mehr Wettbewerb für weitere Dienstleister hat.

Ulrich Binnebößel
Abteilungsleiter Zahlungsverkehr
E-Mail: binneboessel@hde.de


Innovativ Handeln - Digitaler Euro

So sieht es aus

Der Digitale Euro schafft Wettbewerb und Unabhängigkeit

Der Handel befindet sich wie kaum eine andere Branche im digitalen Wandel. Geschäftsprozesse sowohl online als auch zunehmend im stationären Bereich werden bereits mobil abgewickelt. Dazu gehören auch praktikable und digitale Bezahlprozesse.

Der digitale Euro kann in diesem Umfeld einzigartige Vorteile für Verbraucher und Händler bringen:

• Eine robuste europäische Zahlungsmethode für alle Anwendungsfälle

• Geringere Installations- und Transaktionskosten führen zu niedrigeren Preisen für Waren und Dienstleistungen

• Größerer Datenschutz

• Verbesserte digitale finanzielle Eingliederung

• Verbesserte Innovation: Förderung von Wettbewerb, Innovation und neuen Zahlungserfahrungen

Hinzu kommt ein nicht sofort sichtbarer Vorteil, nämlich die Schaffung eines Korrektivs im digitalen Raum, so wie es Bargeld im physischen Raum ist und auch langfristig bleibt.

Mit einer Infrastruktur für den digitalen Euro können wettbewerbsorientierte Player innovative Ideen umsetzen, ohne auf vorhandene Strukturen der etablierten Zahlungssysteme angewiesen zu sein. Damit einher geht auch die Option, kostengünstige Infrastrukturen zu nutzen, die unter staatlicher Hoheit stehen.

Mit dem digitalen Euro kann es (erstmalig) gelingen, ein unbares kanalübergreifendes Zahlverfahren zu etablieren, dass den Anforderungen der Nutzer auf beiden Marktseiten genügt und nicht den wirtschaftlichen Interessen eines oder mehrerer Systembetreiber untergeordnet wird.

Die Herausforderung

Handel und Verbraucher wünschen sich Unabhängigkeit im Payment

Die Umsetzung des Regelwerkes zum Digitalen Euro sowie die praktische Ausgestaltung durch das Eurosystem müssen Antworten auf diese Anforderungen geben:

• Der digitale Euro muss zu einer Reduzierung der allgemeinen Zahlungskosten führen

• Er sollte durch seine Gestaltung zu einer breiten Akzeptanz bei Verbrauchern und im Handel führen

• Er darf nicht zu ungeplanten Investitionen im Handel führen, finanzielle Unterstützung kleiner Unternehmen gesichert sein

Insgesamt soll der digitale Euro Innovationen fördern sowie Unabhängigkeit und Anonymität bieten.

Zeit zum Handeln

Digitaler Euro effizient und praktikabel umsetzen

Auch wenn bis zur Marktdurchdringung ein langer Atem nötig ist, müssen jetzt die notwendigen Weichen gestellt werden, um ein sowohl bei Verbrauchern als auch im Handel akzeptiertes staatliches unbares Zahlungsmittel zu schaffen.

Dabei ist eine Akzeptanzpflicht kein geeignetes Mittel, um ein neues Zahlverfahren zu fördern. Vielmehr sollte das neue staatliche digitale Geld für sich sprechen und entsprechend attraktiv gestaltet werden, so dass sich eine weitreichende Akzeptanz von selbst ergibt.

Von besonderer Bedeutung sind dabei akzeptable Preisstrukturen und Governance-Prozesse:

Neue Vergütungsstruktur: Eine einheitliche, feste Gebühr pro Transaktion ist notwendig, die so niedrig wie möglich sein muss – wobei Transaktionen mit geringem Wert kostenlos abgewickelt werden sollten. Eine prozentuale Gebühr ist nur mit einer Deckelung des Gebührenbetrages akzeptabel.

Keine Interbankenentgelte: Aufgrund des wirtschaftlichen Charakters des digitalen Euro ist es nicht erforderlich, ein Interbankenentgelt für Zahlungsdienstleister zu erheben. Für die ausgebenden Zahlungsdienstleister besteht kein Kreditrisiko, da die Bestände des digitalen Euro bei der Zentralbank erfasst werden. Darüber hinaus werden die Transaktionen des digitalen Euro sofort abgewickelt, was per definitionem jedes Ausfallrisiko ausschließt.

Rückgewinnung von Investitionen durch Intermediäre: Intermediäre sollten bestrebt sein, ihre Investitionen durch innovative Mehrwertdienste, z. B. auf der Grundlage von bedingten Zahlungen, zurückzugewinnen, während sie die kostenlosen Basisdienste für die Verbraucher auf die wichtigsten Transaktionsdienste beschränken.

Öffentliche Überwachung der Gebühren: Die Gebühren für KMU und Unternehmen sollten den direkten Kosten entsprechen, die den Zahlungsdienstleistern entstehen.

Ulrich Binnebößel
Abteilungsleiter Zahlungsverkehr
E-Mail: binneboessel@hde.de