Innenstädte - Verlässliche Sonntagsöffnung
So sieht es aus
Gerichte kippen genehmigte Sonntagsöffnungen
Nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts bedarf es eines hinreichenden Sachgrundes für die Einschränkung des verfassungsmäßig verankerten Sonn- und Feiertagsschutzes. Umsatzinteressen der Händler und auch Erwerbsinteressen der Kunden seien kein solcher Grund. Außerdem sollen Sonntagsöffnungen jeweils als Ausnahme erkennbar bleiben (Regel-Ausnahme-Prinzip). Die Ladenöffnungsgesetze vieler Bundesländer verlangen für eine Sonntagsöffnung einen besonderen Anlass, wie etwa ein Volksfest. Die formalen Hürden sind extrem hoch. Deshalb können oft bereits genehmigte Sonntagsöffnungen durch Gerichte noch gekippt werden.
Die Herausforderung
Innenstädten eine faire Chance geben
Insbesondere der stationäre Nicht-Lebensmittelhandel hat wegen der Corona-Pandemie erhebliche Umsatzverluste zu verzeichnen. Darunter haben vor allem auch die Innenstädte massiv zu leiden. Viele Händler kämpfen aufgrund der langanhaltenden Ladenschließungen um ihre nackte wirtschaftliche Existenz. Mit zusätzlichen verlässlichen Sonntagsöffnungen könnten die Händler gerade auch in der schwierigen Zeit nach der Pandemie wegen Corona entgangene Umsätze zumindest teilweise kompensieren. Die Innenstädte verdienen eine faire Chance. Sonntagsöffnungen können hier ein wichtiger Baustein sein, um diese Krise erfolgreich zu bewältigen.
Zeit zum Handeln
Endlich verlässliche Sonntagsöffnungen ermöglichen
Mit Blick auf die in ganz Deutschland immer wieder kurzfristig von den Gerichten gekippten Genehmigungen für Sonntagsöffnungen fordert der HDE bereits seit Jahren rechtssichere Lösungen für gelegentliche, aber verlässliche Sonntagsöffnungen an den Nachmittagen. Über die genaue Anzahl der Sonntagsöffnungen im Jahr ist dann in den Ländern zu entscheiden. Es geht hier auch darum, zukünftig das große Engagement und die finanziellen Investitionen der Händler vor einer bereits durch die Behörden genehmigten Sonntagsöffnung besser zu schützen. Die Händler bleiben allzu oft auf diesen Kosten sitzen. Das ist unfair und kann so nicht weitergehen. Notfalls setzt der HDE auch auf eine Grundgesetzänderung, um endlich eine bundesweite Klarstellung zu erhalten.
Die Innenstädte müssen an einigen Sonntagen im Jahr den Menschen vor Ort Events anbieten dürfen, bei denen dann auch eingekauft werden kann. Shopping ist heute für viele Menschen und besonders auch Familien ein gemeinsames Event. Dieses Bedürfnis der Kunden müssen die Händler durch einige Sonntagsöffnungen bedienen können. Der Sonntag ist dafür geradezu ideal. Die Händler unterstützen dies dann mit tollen Begleitaktionen. Nach der Corona-Pandemie sollten kurzfristig zusätzliche Sonntagsöffnungen ermöglicht werden, um den Händlern die Chance zu geben, wenigstens etwas des verlorenen Umsatzes aufzuholen. Die Sonntagsöffnungen könnten nach Corona ein wichtiger Baustein sein, um die Innenstadthändler aus der Krise zu holen. Das bietet nach der Pandemie auch die Chance, ein klares Signal an die Kunden zu senden, dass die Innenstädte wieder ihre Türen für Kunden geöffnet haben. Das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Ausnahme-Regel-Prinzip bleibt gewahrt.
Bemerkenswert ist auch, dass die Sonntagsöffnung in keinem anderen EU-Staat derart beschränkt ist wie in Deutschland. Sogar in stark katholisch geprägten EU-Ländern wie Italien und Polen können die Kunden an den Sonntagen grundsätzlich einkaufen, das gilt auch für Frankreich, obwohl man dort größten Wert auf Kultur und Beisammensein legt. Diese Länder werden pandemiebedingte Restriktion beim Shoppen nach Corona sehr schnell aufheben und zum Status quo zurückfinden. Die deutsche Sonderrolle ist hier nicht nachvollziehbar. Und auch beim Personal ist die Sonntagsöffnung beliebt. Viele Verkäufer etwa schätzen in der Praxis die besondere Atmosphäre mit entspannten Kunden. Auch das zusätzliche Entgelt oder die Freizeit sind beim Personal beliebt.
Steven Haarke
Geschäftsführer Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik
E-Mail: haarke@hde.de
Beschäftigung - Tarifbindung stärken, Tarifautonomie bewahren
So sieht es aus
Die Tarifbindung ist in allen Branchen rückläufig
Die Tarifbindung war im Einzelhandel – wie auch in der Gesamtwirtschaft – über die letzten zehn Jahren betrachtet stets leicht rückläufig. Grund dafür war vor allem ein stark verringerter Gestaltungsspielraum für die Tarifvertragsparteien aufgrund einer zunehmenden gesetzlichen Regulierung. Erfreulicherweise ist die bundesweite Tarifbindung der Beschäftigten im Einzelhandel im Jahr 2020 aber erstmals wieder leicht angestiegen und liegt aktuell bei 29 Prozent (Vorjahr: 28 Prozent). Es bleibt aber abzuwarten, ob sich dieser Trend im nächsten Jahr fortsetzt. Eine mögliche Erklärung könnte hier der zunehmende Fachkräftemangel sein. Darüber hinaus orientieren sich aber auch viele der nicht tarifgebundenen Unternehmen im Einzelhandel am Branchentarifvertrag. Somit gilt dieser direkt oder indirekt nach wie vor für etwa 2/3 der Beschäftigten in der Branche. In der Gesamtwirtschaft waren im Jahr 2020 bundesweit übrigens noch 51 Prozent (Vorjahr: 52 Prozent) der Arbeitnehmer in einem tarifgebundenen Unternehmen tätig. Der negative Trend hat sich dort also 2020 fortgesetzt.
Die Herausforderung
Staatliche Lohnfestsetzung ist keine Lösung
Es ist Aufgabe der Sozialpartner, die Tarifverträge aktuellen Herausforderungen anzupassen und – frei von staatlicher Einflussnahme – einen für beide Seiten tragbaren Kompromiss auszuhandeln. Eine weitere Lockerung der gesetzlichen Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) ist daher keine Lösung. Die AVE stellt vielmehr einen massiven Eingriff in die Tarifautonomie und eine Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG dar, die eine Ausnahme bleiben muss und überdies einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Über eine AVE lässt sich die Tarifbindung auch nicht effektiv erhöhen, weil dadurch nicht die Akzeptanz der Tarifverträge gestärkt wird, sondern eine staatliche Erstreckung der Tarifverträge erfolgt.
Zeit zum Handeln
Gestaltungskraft der Sozialpartner fördern
Den Sozialpartnern muss vom Gesetzgeber wieder mehr Handlungsspielraum eingeräumt werden, um im vollen Umfang gestalterisch tätig werden zu können. Dann können die Sozialpartner wieder praxisnahe und attraktive Tarifverträge für ihre Branche aushandeln, die einen spürbar positiven Effekt auf die Tarifbindung haben werden.
Dies setzt aber zum einen voraus, dass nicht immer mehr traditionelle Gestaltungsfelder der Tarifpolitik durch den Gesetzgeber abschließend geregelt werden, wie etwa durch einen zunehmend auch politisch motivierten gesetzlichen Mindestlohn. Zum anderen muss den Tarifvertragsparteien auch noch weitaus häufiger als bislang durch zusätzliche Öffnungsklauseln die Möglichkeit eingeräumt werden, in Tarifverträgen vom gesetzlichen Status quo abzuweichen. Die Tarifpartner könnten so die Attraktivität von Tarifverträgen entscheidend steigern. Aber auch die Tarifverträge selbst sollten als weiteres Flexibilisierungselement vermehrt Öffnungsklauseln für Lösungen auf der betrieblichen Ebene zulassen. Dies schafft Vertrauen und sorgt für mehr Planungssicherheit bei den Unternehmen. Denn häufig braucht es genau diese zusätzliche Flexibilität, um den Tarifvertrag auf betrieblicher Ebene an Unternehmensbesonderheiten anzupassen. Erforderlich ist auch eine „modulare Tarifbindung“, bei der bislang nicht tarifgebundene Arbeitgeber auch nur einzelne Module aus einem gesamten Tarifwerk übernehmen könnten (bspw. den Entgelttarifvertrag). Denn häufig schrecken insbesondere kleine und mittlere Unternehmen deshalb noch vor der Tarifbindung zurück, weil sie sich mit der Komplexität und Anwendung eines gesamten und über Jahrzehnte gewachsenen Tarifwerks schlicht überfordert fühlen.
Zur Wahrung der Tarifautonomie gehört es aber genauso, die Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns ausschließlich der unabhängigen paritätisch besetzten Mindestlohnkommission anhand der bestehenden gesetzlichen Kriterien zu überlassen. Ein zunehmend politisch motivierter Mindestlohn hebelt die Mindestlohnkommission aus und stellt zudem einen massiven Eingriff in die Tarifautonomie dar. Die Arbeitsweise der Mindestlohnkommission hat sich ebenso bewährt wie die grundsätzliche Orientierung des Mindestlohns an der nachlaufenden Tariflohnentwicklung. Eine Änderung des Anpassungsmechanismus würde diesen Erfolg nachhaltig gefährden und tief in die Tarifautonomie eingreifen. Der gesetzliche Mindestlohn darf nicht mehr und mehr zum Spielball der Politik werden.
Steven Haarke
Geschäftsführer Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik
E-Mail: haarke@hde.de
Innenstädte - Vielfalt erhalten
So sieht es aus
Die Multifunktionalität der Innenstädte wird behindert
Innenstädte waren immer Orte der Begegnung, des Handels, der Kultur, der Verwaltung des Wohnens etc.. Kurz: Gebiete mit hoher funktionaler Durchmischung. Im Zuge der baurechtlichen Festschreibung der meisten Innenstädte als „Kerngebiet“, dienen diese vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. Andere Funktionen sind nur ausnahmsweise in den Innenstädten zugelassen, wie z.B. das Wohnen. Der strukturelle Wandel infolge der Digitalisierung erfordert jedoch eine grundlegende Metamorphose, die das Nebeneinander unterschiedlicher Akteure wieder zulässt.
Die Herausforderung
Die Gemengelage als typischen Charakter etablieren
Die hohen Mietpreise in den 1a-Lagen haben vielfach dazu geführt, dass nur noch der Handel in der Lage war, diese hohen Mieten zu zahlen. Infolge der Umsatzverschiebungen in den Online-Handel sowie den Folgen der Corona-Krise wird der Handel in vielen Innenstädten nicht mehr in der Lage sein, diese hohen Mieten wirtschaftlich rentabel erarbeiten zu können.
In der Folge werden an etlichen Standorten die Mieten nach unten korrigiert werden müssen. Doch zunächst werden erwartungsgemäß die Leerstände in vielen Innenstädten zunehmen. Es ergibt sich jedoch auch die Chance, wieder „neue Nachbarn“ im Umfeld des Handels begrüßen zu können. Daraus können bei guter Planung Synergien in Zusammenarbeit mit dem Handel und eine erhöhte Lebendigkeit entstehen. Die verbesserte Mischung erfordert aber gleichzeitig den Respekt und die Akzeptanz der Bedürfnisse der anderen Innenstadtakteure. Daher muss die Gemengelage zum typischen Charakter der Innenstädte werden.
Zeit zum Handeln
TA-Lärm sowie BauNVO bedarfsgerecht anpassen
Die funktionsgemischte Innenstadt ist das Leitmotiv vieler Festschriften zur mitteleuropäischen Innenstadt. Diese Funktionsmischung wird üblicherweise als Garant für den jahrhundertelangen Erfolg unserer Innenstädte lobend herausgestellt.
In der Realität wird diese Idealvorstellung einer Innenstadt aber vielfach durch Verordnungen und bestehendes Recht ausgebremst. Zu nennen sind hier zum einen die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA-Lärm) sowie die Baunutzungsverordnung (BauNVO), die Nutzungsmischung und dichte Nachbarschaft in den Innenstädten verhindert.
Diese Nutzungsmischung in dichter Innenstadtnachbarschaft wird jedoch ein Schlüssel zur dauerhaften Lebendigkeit unserer Innenstädte sein. In etlichen Innenstädten werden sich die Handelslagen durch sinkende Frequenzen derart verschieben, dass eine wirtschaftlich tragfähige Nachnutzung durch den Handel an diesen ehemaligen Handelslagen nicht sinnvoll erscheint. Es wird in den Kommunen zur Konzentration von Geschäftsstraßen kommen. An diesen Standorten gilt es dennoch die ehemaligen Handelsflächen mit angepassten und sinnvollen neuen Nutzungen zu füllen, die das „Erlebnis Innenstadt“ auch für die verbleibenden Geschäfte positiv beeinflussen. Dazu sind insbesondere gastronomische Nutzungen sowie das Ladenhandwerk zur Abrundung des Innenstadtangebotes geeignet. Eine Ansiedlung derartiger Betriebe darf nicht durch gesetzliche Vorgaben wie z.B. den Immissionsschutz verhindert werden.
Um den Kommunen das Bauen in Innenstädten jedoch tatsächlich zu erleichtern und bestehende Konflikte zu verringern, benötigen Unternehmen darüber hinaus mehr Flexibilität. Um Lieferverkehr, Veranstaltungen oder Produktionsprozesse nicht zu stark einzuschränken, sollten Unternehmen mehr Spielraum für zeitlich begrenzte Ausnahmen oder Spitzenzeiten der Lärmemission erhalten. Auch passive Schallschutzmaßahmen sollten stärker als bisher anerkannt werden. Deshalb sind die Vorgaben für Gewerbelärm an den Verkehrslärmschutz anzupassen. Zudem sind die Messmethoden zu überarbeiten, so dass die Messungen in einem und nicht vor dem „schutzbedürftigen Raum“ stattfinden.
Auch die Einführung des Gebietstyps „Urbanes Gebiet“ in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) war nur bedingt geeignet, die zwingend erforderliche Funktionsvielfalt in den Innenstädten zu ermöglichen. Zwar ist „(…) eine räumliche Nähe von wichtigen Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Kultur und Erholung (…)“ vorgesehen, die Erhöhung der Lärmwerte um 3 dba sind jedoch nur eingeschränkt geeignet, das tatsächliche Nebeneinander von Wohnen und Wirtschaft zu ermöglichen.
Vielmehr muss die gewünschte funktionale Durchmischung sich auch in den Bestimmungen des für die Innenstädte typischen Baugebiets, dem sogenannten „Kerngebiet“, gemäß Baunutzungsverordnung (BauNVO) widerspiegeln. Die Gemengelage sollte im Sinne der Funktionsmischung die typische Situation einer Innenstadt darstellen.
Michael Reink
Bereichsleiter Standort- und Verkehrspolitik
E-Mail: reink@hde.de
Was sagen die Händler?
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Nachhaltigkeit - Einwegkunststoffrichtlinie - transparent und effizient
So sieht es aus
Die erweiterte Herstellerverantwortung kommt
Die 2019 verabschiedete EU-Einwegkunststoffrichtlinie sieht für bestimmte Artikel und Verpackungen, die Europas Strände am meisten verschmutzen, strengere Vorschriften vor. So wird neben Verboten und anderen Maßnahmen in Artikel 8 der Einwegkunststoffrichtlinie festgelegt, dass Hersteller bestimmter Einwegkunststoffartikel und -verpackungen Kosten übernehmen müssen, die im Zusammenhang mit den Abfällen dieser Artikel stehen. Hersteller sind also nun in der Pflicht für die Vermüllung der Umwelt durch diese Artikel und Verpackungen zu bezahlen. Das durch die Richtlinie vorgegebene Umsetzungsziel ist ein „herstellergetragenes Regime erweiterter Herstellerverantwortung für die betroffenen Einwegkunststoffartikel“. Diese erweiterte Herstellerverantwortung ist in Deutschland bislang noch nicht umgesetzt.
Die Herausforderung
Eine faire Kostenverteilung für alle
Die Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung muss den Grundsätzen der Kosteneffizienz, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit folgen. Händlern muss klar sein, wie viel sie zahlen müssen und wofür. Die Empfänger der Gelder – das sind die öffentliche Hand, besonders die Kommunen – müssen transparent darlegen, wo die Kosten anfallen und wofür die an sie ausgeschütteten Gelder genutzt werden.
Zeit zum Handeln
Wer zahlt, soll beteiligt werden
Der HDE hat gemeinsam mit weiteren betroffenen Wirtschaftsverbänden ein Konzept zur Umsetzung des Art. 8 der Einwegkunststoffrichtlinie ausgearbeitet. Die Wirtschaft möchte eine Umsetzung der Vorgaben über einen bei der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) angesiedelten Einwegkunststofffonds (als Organisation der erweiterten Herstellerverantwortung) erreichen. Eine Ansiedlung bei der ZSVR könnte auf der bisherigen IT-Infrastruktur der ZSVR aufsetzen. Das nötige Know-how, die Organisation und die technische Infrastruktur zum Betrieb eines Registers sind bei der ZSVR bereits aufgebaut und sind alleine schon aus Synergiegründen und dem Effizienzgebot der Einwegkunststoffrichtlinie zu nutzen. Ein weiterer Vorteil liegt in der ZSVR zu etablierenden Einwegkunststoffkommission, die paritätisch mit Vertreten der Hersteller und der Zahlungsempfänger besetzt ist. Diese Stakeholderbeteiligung ist durch die EU-Richtlinie vorgeschrieben. Es ist nur folgerichtig, dass die Branchen, die hier zur Kasse gebeten werden, dann auch angemessen an der Organisation und Durchführung dieses komplexen Regimes beteiligt werden.
Ein solches Modell würde sich bewusst in weiten Zügen an das bestehende Modell der ZSVR und ihre Rolle in Bezug auf systembeteiligungspflichtige Verpackungen nach dem VerpackG anlehnen, einschließlich der dort verankerten Aufteilung der Aufgaben in einen hoheitlichen und einen privatrechtlichen Bereich. Diese Nutzung der vorhandenen Strukturen garantiert eine effiziente und effektive Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie sowohl im Interesse der Hersteller als auch der Zahlungsempfänger.
Benjamin Peter
Abteilungsleiter Umweltpolitik
E-Mail: peter@hde.de
Was sagen die Händler?
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Nachhaltigkeit - EU-Plastikabgabe - Umwälzungen stoppen!
So sieht es aus
Die EU-Plastikabgabe kommt
Die EU-Plastikabgabe ist eine neue Eigenmittelquelle für den EU-Haushalt 2021- 2027. Sie wird mit einem Satz von 0,80 EUR pro nicht recyceltes Kilogramm Kunststoffverpackungen berechnet. Die Abgabe ist keine Steuer, sondern eine Methode zur Berechnung des erhöhten Beitrags der Mitgliedstaaten an die EU. Die Bundesregierung hat entsprechende Mittel (ca.1,3 Milliarden Euro pro Jahr) im Haushaltsentwurf für 2021 vorgesehen.
Die Herausforderung
Wer soll die Abgabe zahlen?
Die Plastikabgabe wurde in Deutschland mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Plastikabgabe Mitte Dezember 2020 im Kabinett verabschiedet. Danach wird sie aus dem nationalen Steueraufkommen erfüllt. Laut Koalitionsvertrag der Ampelregierung soll diese Abgabe nun doch – anders als bislang zugesagt – auf die Hersteller und Inverkehrbringer umgelegt werden.Wie dies im Einzelnen erfolgen soll, ist nicht ausgeführt.
Zeit zum Handeln
Dreifach-Belastung für Unternehmen abwenden
In Deutschland leisten die Inverkehrbringer von Kunststoffverpackungen mit den Entgelten für die dualen Systeme bereits heute einen wesentlichen finanziellen Beitrag, um das Recycling von Kunststoffverpackungen zu fördern. Hinzu kommt ein äußerst effektives Sammelsystem für pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen, das einen Stoffstrom für die Gewinnung von hochwertigen lebensmitteltauglichen Rezyklaten darstellt. Außerdem halten die Hersteller trotz der Corona-Pandemie an ihren Zielen fest, den Einsatz von recyceltem Kunststoff in Verpackungen signifikant zu erhöhen.
Im Rahmen der EU-Kunststoffstrategie sind mittlerweile viele Maßnahmen zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft und der Reduktion von Einwegkunststoff-Produkten eingeleitet worden. Dazu gehört auch, dass die Inverkehrbringer bestimmter Einwegkunststoff-Produkte zukünftig unter anderem die Kosten für öffentliche Reinigungsaktionen und die Entsorgung solcher Abfälle tragen müssen. Eine neue, zusätzliche Abgabe mit weiteren Zusatzbelastungen für die betroffenen Unternehmen in Milliardenhöhe käme noch zusätzlich zu diesen (bereits jetzt schon verpflichtenden) Beiträgen zur Reduzierung von Einwegkunststoff auf die Unternehmen zu. Wir lehnen daher eine Überwälzung der Plastikabgabe auf die Wirtschaft deutlich ab.
Benjamin Peter
Abteilungsleiter Umweltpolitik
E-Mail: peter@hde.de
Was sagen die Händler?
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Nachhaltigkeit - CO2-Preis als zentrales Steuerungsinstrument
So sieht es aus
Bürokratische Bremsen für nachhaltige Ladenkonzepte
Häufig scheint der energetische Superstore im Einzelhandel so nah: Auf dem Dach wird erneuerbarer Strom produziert, dieser wird direkt in die Ladesäulen vor der Tür der Filiale geleitet und im Store selber wird energieeffizient mit LED und Wärmerückgewinnungsanlagen gearbeitet. Leider ist dieses unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen nicht möglich.
Denn der selbst erzeugte Strom muss durch die gleiche juristische Person auch verbraucht werden. Ist dieses nicht der Fall, wird der Händler wie ein Elektrizitätsversorger behandelt und muss eine erhebliche Anzahl an Meldepflichten erfüllen und den Strom geeicht und auf die Viertelstunde genau abgrenzen. Fehler werden drakonisch bestraft. Diese Tätigkeiten sind neben dem Kerngeschäft des Händlers nicht mehr möglich.
Die Herausforderung
Abschaffung der zwingenden Personenidentität
Alternativ kann der Händler den selbst erzeugten Strom einfach in das Netz einspeisen, was physikalisch dieselbe Situation darstellt. Dann jedoch verliert der Strom rechtlich seine grüne Eigenschaft. Er kann also nicht mehr für den Einsatz in der Ladesäule genutzt werden und reduziert auch nicht den CO2-Footprint des Stores. Deshalb muss eine Reform des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems auf Strom erfolgen, wie im Koalitionsvertrag angekündigt. Nur so können die bürokratischen Anforderungen und rechtlichen Hemmnisse verringert und die Komplexität abgebaut werden. Den sofortigen Hebel hat auch die Ampelkoalition erkannt und die Abschaffung der EEG-Umlage und damit auch der Personenidentität für 2023 angekündigt. Damit könnte der Händler ab 2023 seinen grünen Strom endlich auch z.B. dem Bäcker im Store direkt zur Verfügung stellen. Freilich bleibt noch abzuwarten, wie genau die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden.
Zeit zum Handeln
CO2-Vermeidung in den Mittelpunkt rücken
ie Ampelkoalition hat den Mut gefunden durch die Reduktion der EEG-Umlage auf Null, die Komplexität zu verringern, die Bürokratie beim Einsatz erneuerbarer Energien abzubauen und die rechtlichen Risiken zu minimieren. Zudem wurde ein Enddatum für die Förderung Erneuerbarer Energien gefunden, die dann dem Markt überführt werden. Bis dahin steht der Handel voll hinter dem Vorschlag aus dem Koalitionsvertrag, die EEG-Umlage aus der CO2 Bepreisung zu finanzieren.
Die Neugestaltung des Strommarktdesigns ist ein wesentlicher Faktor, damit auch Investitionen in Erneuerbare Energien angereizt und abgesichert werden können. Hierzu gehört auch die Neugestaltung der Grünstromvermarktung. Daher werden wir uns in der kommenden Legislatur dafür einsetzen, dass der Strommarkt so ausgestaltet wird, dass der Handel ausreichend Anreize erhält, um seine Dächer mit Photovoltaik zu belegen, um so einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten.
Lars Reimann
Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik
E-Mail: reimann@hde.de
Was sagen die Händler?
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Wettbewerb - Wettbewerbsfreiheit im B2B-Bereich
So sieht es aus
Die geltende Rechtsordnung enthält verschiedene Regelungen, welche die Vertragsfreiheit in den B2B-Beziehungen einschränken. Dies führt im Ergebnis zu Wettbewerbsbeschränkungen. Das gilt insbesondere für die Regeln der Missbrauchsaufsicht im deutschen Kartellrecht und die neue UTP-Gesetzgebung.
Bereits seit längeren enthält das GWB mit dem „Anzapfverbot“ eine Bestimmung, mit dem sichergestellt werden soll, dass Unternehmen die Vertragsbedingungen miteinander frei vereinbaren und Vertragspartner nicht aufgrund einer etwaigen Abhängigkeit gezwungen werden, sachlich nicht gerechtfertigte Vorteile zu gewähren.
Das „Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis“ untersagt es dem Abnehmer grundsätzlich, Lebensmittel auch nur gelegentlich unter dem Einstandspreis an Verbraucher weiter zu veräußern.
Die Verbote sind in den letzten Jahren mehrfach verschärft worden.
Weitere und umfassende konkrete Regulierungen und Verbote sind mit den Bestimmungen der UTP-Richtlinie verbunden, die im Juni 2021 mit dem Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) in nationales Recht umgesetzt wurden. Das AgrarOLkG enthält insgesamt sieben absolute und drei bedingte Klauselverbote, welche die Handlungsspielräume der Vertragspartner bei der Vertragsgestaltung reduzieren. Damit soll „faires“ Verhalten in den Lieferbeziehungen gewährleistet werden. Gleichzeitig wird mit den konkreten Vertragsgestaltungsvorschriften in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 GG) eingegriffen.
Die Herausforderung
Die Regulierung der Vertragsbeziehungen im B2B-Bereich ist problematisch, weil ihr der Gedanke zugrunde liegt, staatliche Eingriffe führten zu gerechteren und damit besseren Marktergebnissen als die autonom zwischen den Marktteilnehmern vereinbarten Verträge. Die Verbraucherwohlfahrt gerät damit zum Teil aus dem Blickfeld.
Die Verbote greifen in die Vertragsfreiheit von Lieferanten und Händlern ein, indem die Parteien bei der Gestaltung der Lieferverträge beschränkt werden. Kumuliert betrachtet nimmt der Gesetzgeber erheblichen Einfluss sowohl auf die Einkaufs- als auch auf die Verkaufspreisgestaltung der Händler. Die Gestaltung von Preisen und Konditionen ist aber ein wichtiger Parameter im jeweiligen Wettbewerb der Lieferanten und Handelsunternehmen. Durch die Regelung des Anzapfverbots und die neuen UTP-Bestimmungen wird in die einvernehmliche sowie freie Konditionengestaltung und damit in die Vertragsfreiheit eingegriffen – selbst wenn die betroffenen Unternehmen nur über relative Marktmacht verfügen – und somit insbesondere auch der stark ausgeprägte Wettbewerb zwischen den Handelsunternehmen beschränkt. Dies kann langfristig zu höheren Preisen zulasten der Verbraucher führen. Die Verbote bewirken zudem die Verkrustung bestehender Vertriebsstrukturen auf Seiten der Hersteller und hemmen die Anreize zur Innovation bei der Konditionengestaltung.
Mit der UTP-Gesetzgebung wurde ebenso wie mit dem Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis die wettbewerbsökonomisch problematische Hoffnung verknüpft, dass sie zu einer Erhöhung der Verbraucherpreise für Lebensmittel führen werden, so dass der Handel auch den Landwirten höhere Preise zahlt, sich dadurch die Ertragssituation der Landwirte optimiert und in der Folge die Lebensmittelqualität bzw. die Tierhaltungsbedingungen gleichsam zwangsläufig verbessern würden. Dieses Ziel kann schon von vornherein durch die Verbote nicht erreicht werden, weil die Lebensmitteleinzelhändler in aller Regel keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Landwirten unterhalten und die Verbraucherabgabepreise im Handel daher mit wenigen Ausnahmen keine Auswirkungen auf die Ertragssituation der Erzeuger haben.
Die Verbote sind aber mit der Gefahr höherer Verbraucherpreise verbunden – eine mögliche Folge, die vom Gesetzgeber sogar intendiert wird. Weiterhin können sie tendenziell die Konzentration bei den Lieferanten verstärken und die Angebotsvielfalt in den Ladengeschäften sowie die Innovation reduzieren. Diese Konsequenzen laufen in offensichtlicher Weise dem Verbraucherinteresse zuwider.
Zeit zum Handeln
Die Vertragsbeziehungen im B2B-Bereich sollten dereguliert werden.
Das „Anzapfverbot“ und das „Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis“ sind vollständig zu streichen. Wenn es hierzu am politischen Willen fehlt, sollten die Verschärfungen des Tatbestands aus den letzten Jahren zurückgenommen werden.
Zumindest muss auf weitere Regulierungen verzichtet werden. Regulierungen über die EU-Vorgaben hinaus sind zurückzunehmen. Dies gilt insbesondere für die UTP-Regeln im AgrarOLkG. Hier hatte sich der EU-Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, Großunternehmen vom Anwendungsbereich auszunehmen und neben generellen Verboten bestimmte Vertragsgestaltungsformen nur bei Fehlen bestimmter Voraussetzungen zu verbieten. Der nationale Gesetzgeber sollte daher im Rahmen der 2023 anstehenden Evaluierung die über das EU-Recht hinausgehenden nationalen Regulierungen zurücknehmen und den Anwendungsbereich an die EU-Vorgaben anpassen.
Damit die Handlungsspielräume der Marktteilnehmer nicht völlig unverhältnismäßig eingeschränkt werden und auch in Zukunft Effizienzgewinne mit Vorteilen für die Verbraucher möglich bleiben, sollte außerdem auf weitere Regulierungen und Verschärfungen unbedingt verzichtet werden.
Dr. Peter Schröder
Bereichsleiter Recht- und Verbraucherpolitik
E-Mail: schroeder@hde.de
Wettbewerb - Verbraucherautonomie
So sieht es aus
Grundlage der Verbraucherschutzgesetzgebung ist das Verbraucherleitbild
Die Frage, wie schutzbedürftig der Verbraucher in der Praxis ist, entscheidet über das Maß der erforderlichen Regulierung. Staatliche Eingriffe in das Verhalten der Verbraucher sind auch immer mit Einschränkungen der individuellen Freiheit verbunden. Eine freie Gesellschaft setzt aber maximale Handlungsspielräume für die Marktteilnehmer voraus, die nur im erforderlichen Rahmen durch (Schutz-)Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen.
Das Verbraucherleitbild entscheidet damit über die Gewährung autonomer Entscheidungsmöglichkeiten des Verbrauchers als Wirtschaftsakteur einerseits und das Maß der Einschränkungen zu seinem erforderlichen Schutz andererseits.
Die Herausforderung
Das Verbraucherleitbild ist umstritten. Wissenschaftlich ist anerkannt, dass die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers nicht objektiv festzustellen ist. Sie wird vielmehr auf Grundlage einer subjektiven Bewertung ermittelt, die nicht zuletzt von der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Anschauung des Einzelnen abhängt.
In der Debatte werden zwei extreme Positionen vertreten, die in vielfältiger Weise variiert und kumuliert werden:
- Der Verbraucher als „homo oeconomicus“: Danach ist der Verbraucher ausreichend informiert, handelt bei seinen Konsumentscheidungen streng rational und emotionslos im Interesse des eigenen Vorteils. Verbraucherschutzgesetzgebung ist unter diesen Voraussetzungen nur in sehr begrenztem Maße erforderlich. Der Verbraucher behält aufgrund fehlender (Schutz-)Gesetze maximale Handlungsspielräume. Entspricht er aber nicht dem Idealtypus, fehlt ihm als Marktteilnehmer der erforderliche Schutz.
- Der schutzbedürftige Verbraucher: Die Vertreter dieses Verbraucherbildes betrachten den Konsumenten als irrational handelndes Wesen, welches einerseits kurzfristig denkt, spontan sowie triebgesteuert handelt und bei den Konsumentscheidungen häufig die Folgekosten vernachlässigt, andererseits aber auch aufgrund mangelnder Willenskraft notwendige Entscheidungen verschiebt oder sich triebgesteuert gegen seinen „wahren“ Willen entscheidet. Diese Prämissen erfordern eine fürsorgende Regulierung des Gesetzgebers, die im Ergebnis zu einer wohlmeinenden und paternalistischen Bevormundung des Verbrauchers führt und ihm nur noch wenige Spielräume für eigene Entscheidungen lässt.
Zwar wird in der politischen Diskussion der letzten Jahre vielfach ein „differenziertes Verbraucherbild“ vertreten. Trotz der apostrophierten Differenziertheit ist dieses Leitbild mit generalisierenden Tendenzen verbunden, unterstellt eine Schutzbedürftigkeit für bestimmte Marktsituationen und führt damit im Ergebnis zu einem höheren Regulierungsniveau und mehr Einschränkungen der autonomen Handlungsspielräume. Vorgeschlagen werden in diesem Zusammenhang z. B. Werbeverbote, die mittelbare Einschränkung des Produktangebots durch zivilrechtliche Vorgaben und die kollektive Wahrnehmung individueller Interessen durch Verbraucherschutzverbände.
Zeit zum Handeln
Eine freie Gesellschaft braucht Handlungsspielräume für autonome Entscheidungen aller Marktakteure einschließlich der Verbraucher. Staatliche Eingriffe sind daher nur akzeptabel, wenn sie zum Schutz der Verbraucher vor akut bestehenden Risiken oder zur Vermeidung externer Schäden erforderlich und angemessen sind.
Ein Schutz- und Fürsorgebedürfnis der Verbraucher darf vom Gesetzgeber deshalb nicht generalisierend – z. B. für bestimmte Marktsituationen – unterstellt werden. Eine staatliche Durchregulierung des Wirtschaftslebens ist unbedingt zu vermeiden. Bei neuen Schutzvorschriften ist deren Erforderlichkeit zu prüfen. Der Gesetzgeber sollte dabei dem von der Rechtsprechung entwickelten Leitbild des grundsätzlich mündigen, durchschnittlich aufgeklärt handelnden Verbrauchers unter Berücksichtigung der angesprochenen Verkehrskreise und der konkreten Situation folgen. Nur so werden dem Verbraucher die erforderlichen Freiräume zur Entfaltung seiner Persönlichkeit geboten. Dies schließt auch das Recht zu irrationalen Entscheidungen mit ein. Auch spontane und emotionale Verhaltensweisen sind das Recht eines autonom handelnden Bürgers.
Versuche des Gesetzgebers, durch staatliche Regulierung einen rein rational handelnden Verbraucher zu formen, dessen Verhalten einheitlich den von Dritten definierten Kriterien folgt, haben in einer liberalen und vielfältigen Gesellschaft keinen Platz. Ausnahmen dürfen nur gelten, wenn unmittelbar ernsthafte Gefahren für den Verbraucher oder externe Schäden drohen. Der Gesetzgeber kann zwar durch optimierte Information der Verbraucher deren Entscheidungsgrundlage verbessern, muss dabei aber auch Augenmaß bewahren, um seine Zielsetzung nicht durch einen Information Overload zu konterkarieren.
Dr. Peter Schröder
Bereichsleiter Recht- und Verbraucherpolitik
E-Mail: schroeder@hde.de
Digitalsteuer - Bargeld muss bezahlbar bleiben
So sieht es aus
Bargeld kostet Geld
Bargeld ist nach wie vor das bedeutendste Zahlungsmittel im stationären Handel. Der Umgang mit Bargeld, das sogenannte Bargeldhandling ist sowohl bei großen Filialisten als auch bei KMU ein wichtiger Geschäftsprozess und mit entsprechenden Aufwänden verbunden. Die Logistik wird bei den kleinen und mittleren Händlern hauptsächlich über regionale Bankfilialen mit entsprechendem Angebot (Einzahlungsmöglichkeit und Angebot von Münzrollen) abgewickelt. Größere und filialisierte Unternehmen stützen sich auf Wertdienstleiser, die sie mit Wechselgeld versorgen und die Bareinnahmen zur Einzahlung auf das Konto bringen. Ein Verzicht auf Bargeldakzeptanz ist nach heutigem Stand nicht möglich.
Die Herausforderung
Weniger Bargeld und steigende Kosten
Seit Jahren ist der Trend zur Kartenzahlung zu beobachten, der im Zuge der Corona-Krise deutlich verstärkt wurde. Inzwischen werden nur noch 41 Prozent des Umsatzes bar abgewickelt (EHI-Studie für 2020. Vergleich 2015=53,4%). Das politische Umfeld ist Bargeld gegenüber eher negativ geprägt, verschärfte Geldwäscheregelungen, Bargeldobergrenzen, Abschaffung des 500-Euro-Schein, Münzprüfverordnung bringen Bargeld ein Negativimage. Das wirtschaftliche Umfeld bringt zunehmende Herausforderungen. Bankfilialschließungen, steigende Bearbeitungskosten, Konzentration auf unbare Zahlarten legen nahe, dass Banken sich von Bargeld verabschieden wollen.
Zeit zum Handeln
Wir brauchen eine Bargeldstrategie
Der Handel braucht Planungssicherheit über die weitere Entwicklung des Bargelds. Daher sollte eine intensive gesellschaftliche Diskussion darüber geführt werden, wie viel Bargeld in Zukunft nötig ist und wer die Lasten hierfür trägt. Die Bundesregierung sollte eine Bargeldstrategie erstellen und die Richtlinien sowie Maßnahmen zum Erhalt eines effizienten Bargeldkreislaufes aufzeigen. Technologische Weiterentwicklungen wie die Automatisierung im Bargeldbereich sollten gefördert werden. Dabei kann der Handel weitere Dienstleistungen wie die Bargeldauszahlung am POS übernehmen. Entsprechende Rahmenbedingungen zur Förderung der Effizienz im Bargeldhandling sollten gesetzt werden, z.B. könnte der sogenannte kleine Bargeldkreislauf vereinfacht werden, bei dem sich zwei Marktakteure gegenseitig unterstützen. Die Bundesbank sollte alle Optionen zur Effizienzsteigerung prüfen. Dabei kann auch eine Entscheidung getroffen werden, wieder mehr Aufgaben selbst zu übernehmen. Eine Verpflichtung zur Akzeptanz von Bargeld im Handel ist nicht zielführend und kann zu hohen Kosten ohne Nutzen führen. Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig: Wo muss Bargeld weiterhin als Korrektiv oder Kriseninstrument agieren, wo wird es verzichtbar?
Ulrich Binnebößel
Zahlungsverkehr und Logistik
E-Mail: binneboessel@hde.de
Digitalsteuer - Gebühren für Kartenzahlungen beschränken
So sieht es aus
Die europäische Regulierung der Kartengebühren
Ende 2015 ist die Regulierung zu Interbankenentgelten in Kraft getreten. Damit wurden Höchstgrenzen für die sogenannten Interbankenentgelte von Verbraucherkarten eingeführt.
Interbankenentgelte werden zwischen der Bank des Kunden und der Bank des Händlers erhoben. Die Händlerbank gibt diese Gebühr 1:1 an den Händler weiter. Interbankenentgelte sind nur ein Bestandteil der Kosten des Händlers bei der Akzeptanz von Kredit- und Debitkarten. Weitere Bestandteile sind Scheme Fees (Gebühren des Kartensystems) und Acquirer-Entgelte
(Kosten der Händlerbank). Der Händler muss alle diese Kosten in den Endpreis einkalkulieren, einen speziellen Aufpreis darf er in den meisten Fällen nicht erheben. Die Kosten für die Kartenzahlung tragen also alle Verbraucher.
Die Herausforderung
Die Kosten für Kartenzahlung steigen
Im Rahmen einer Reviews der sogenannten MIF-Regulierung hatte die Kommission im vergangenen Jahr einen Bericht erstellt, der die Wirksamkeit der Verordnung feststellt. Weiterer Regelungsbedarf wird zunächst nicht gesehen. Auch der HDE erkennt zwar die Erfolge der Regulierung an, Ausdruck ist insbesondere das Wachstum von Akzeptanzstellen.
Unerwünschter Nebeneffekt der Regulierung ist allerdings das Entstehen von Preisspielräumen für die bislang nicht regulierten Kostenbestandteile Scheme Fees und Acquirer-Entgelt. Insbesondere die Scheme Fees sind in den letzten Jahren gestiegen. Die marktführenden Kreditkartensysteme Mastercard und Visa haben neue Gebührenarten geschaffen und bestehende Gebühren erhöht.
Zeit zum Handeln
Die Verordnung muss nachgebessert werden
Eine Studie von CMSPI zeigt die Entwicklung auf. Danach hat die Regulierung den deutschen Händlern jährlich 484 Millionen Euro eingespart. 125,7 Mio. Euro wurden allerdings aufgrund von Gebührenerhöhungen bereits wieder aufgezehrt. Dabei lässt sich für den LEH bereits feststellen, dass die durch die Regulierung erfolgte Absenkung der MIF inzwischen beinahe durch den Anstieg der Scheme Fees kompensiert wird.
Die MIF-Verordnung sollte überarbeitet werden und auf die Scheme Fees ausgedehnt werden. Inzwischen können Händler nicht mehr über die Akzeptanz der Kartensysteme entscheiden – sie wird vom Kunden vorausgesetzt.
Daher ist für eine wettbewerbliche Betrachtung die Gesamtkostenbelastung der Akzeptanzseite ausschlaggebend, alle Kostenbestandteile sollten daher reguliert werden.
Zudem sollten die Ausnahmen für Firmenkarten gestrichen werden. Für den Kartenakzeptanten ist es unerheblich, ob es ein gewerblicher Kauf ist oder ein privater Kauf. Ohnehin ist eine Überprüfung des Einsatzes einer Firmenkarte (dienstlicher oder privater Kauf) regelmäßig nicht möglich.
Auch das Surcharging-Verbot ist zu hinterfragen. Wenn eine Kostenweitergabe nicht individuell möglich ist, kann auch für den Kostenverursacher/dem Karteninhaber kein Anreiz zu kostensparendem Verhalten gegeben werden. Im Gegenteil wird dieser durch Incentives der Kartensysteme ermutigt. Entstehende Kosten trägt damit auch der Barzahler.
Weitere Infos zur HDE-Position unter https://einzelhandel.de/11760
Ulrich Binnebößel
Zahlungsverkehr und Logistik
E-Mail: binneboessel@hde.de